Nach dem eindeutigen Scheitern der bisherigen Versionen der Dublin-Verordnung, die festlegt, welche Mitgliedsstaaten für die Durchführung von Asylverfahren zuständig sind, ist auf EU-Ebene schon lange eine grundlegende Reform im Gespräch. Doch statt Regelungen zu finden, welche die Menschenrechte der Schutzsuchenden bewahrt, werden jene weiter abgebaut und die Zäune des Grenzregimes weiter hochgezogen.

Rechte politische Kräfte haben die durch den neoliberalen Kapitalismus hervorgebrachten Verunsicherungen für sich zu Nutzen gewusst und die gesellschaftlich vorhandenen rassistischen Ressentiments umfänglich mobilisiert. Die allermeisten Parteien können nun darauf bauen, durch eine restriktive Migrationspolitik möglichst viele Wähler*innenstimmen zu generieren (Stichwort „Im großen Stil abschieben“), als würde es sich dabei nicht um die aktive Gefährdung von Menschenleben handeln. Weiter gebaut wird dabei auch – Stein für Stein – die Festung Europa: Mit einer Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), welches im Dezember 2023 beschlossen wurde und dieses Jahr umgesetzt werden soll, lässt sich ein Versuch bezeichnen, den Flüchtlingsschutz per se auszuhebeln und dabei Geflüchtete noch stärker zu kriminalisieren. Denn durch die Reform wird auch ermöglicht, dass schutzsuchenden Menschen während des Zeitraums ihres Verfahrens an den EU-Außengrenzen in Haftlagern untergebracht und beispielsweise gewaltsame Push-Backs eine rechtliche Grundlage bekommen.

Was bedeutet diese Reform? Wie wird sich diese Reform nun auf Betroffene und die Praxis der Menschen, die gegen dieses unmenschliche System arbeiten, auswirken? Aus welcher gesellschaftlichen Stimmung heraus war es überhaupt möglich, dass sich ein solches Vorhaben umsetzen lässt? Und welche Rolle kann eine radikale Linke spielen, um dieser Politik etwas entgegenzusetzen? Aus der Perspektive zweier Aktivistinnen, die sich in ihrer politischen Arbeit gegen das menschenverachtende Grenzregime stellen, soll unter anderem versucht werden, diesen Fragen nachzugehen.

Kübra Atasoy ist langjährige politische Aktivistin, Antirassismus-Expertin (Schwerpunkt Arbeiter:innengeschichte/ Klasse und Rassismus) und Linguistin. Sie ist Vorsitzende und Geschäftsführerin von Asyl in Not und damit zuständig für die Weiterentwicklung des Vereins. Sigrid Spenger engagiert sich seit 2015 in der ehrenamtlichen Arbeit mit Geflüchteten. Die Aktivistin ist seit 2020 im Vorstand von SOS-Balkanroute und dort stellvertretende Obperson.

Gemeinsam mit den Diskutantinnen wollen wir einen Raum für Diskussion schaffen. Das Antifa Café wird von der AG Antifa der Plattform Radikale Linke organisiert und findet monatlich statt. Vor Ort gibt es wie immer Getränke, Infomaterial und Merch.

Brick by brick, wall by wall, make the fortress Europe fall!

Seit vielen Jahren beteiligen sich zahlreiche Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen -fern von Parteistrukturen- in Wien an den jährlichen MayDay Demonstrationen zum 1. Mai. Dabei ist es immer auch ein Anliegen der jährlichen Demonstrationen feministische, ökologische und antirassistische Kämpfe mit einer revolutionären, emanzipatorischen und antiautoritären Perspektive gegen Staat und Kapital zu verbinden.

Gleichzeitig ist der Erste Mai in vielen Städten -auch in Wien- aber auch immer wieder Bühne und Schauplatz linker Antisemitismen. Dieser anhaltende Antisemitismus muss benannt werden, um ihn zu bekämpfen. Der Kampf gegen Antisemitismus wird allzuoft nur mitgemeint, er bleibt allerdings unglaubwürdig, wenn er lediglich auf rechten und rechtsextremen Antisemitismus abzielt.

Ob es rechtsextreme Verschwörungserzählungen sind, ob es Neonazis, „Graue Wölfe“, Islamist:innen oder linke Antisemit:innen sind: gegen jeden Antisemitismus heißt, sich gegen alle Formen von Antisemitismus stark zu machen. Gerade auch Islamismus muss mit fundierter Kritik zum Thema gemacht werden. Unsere Kritik unterscheidet sich dabei vollkommen von den rassistischen Ressentiments, welche die FPÖ und „Identitäre“ als
vermeintliche Islamkritik darstellt, welche Muslim:innen mit Islamismus gleichsetzt und Religionszugehörigkeit zu einer Wesenseigenschaft macht. Gegen Islamismus einzutreten, muss aber auch heißen, gegen antisemitische -auch vermeintlich linke- Gruppen einzutreten, die sich ständig mit Islamist:innen solidarisieren und keinerlei Probleme damit haben, mit ihnen auf die Straße zu gehen. Wie letzten Samstag in Favoriten, als Mitglieder der antisemitischen BDS-Gruppierung und des Vereins dar-al-Janub Teilnehmer:innen der antifaschistischen Kundgebung als „Judenschweine“ beleidigten und sich mit sexualisierten Gewaltandrohungen gegen Genoss:innen wandten. Seit Jahren betreibt BDS und dar-al-Janub -in Wien und vielerorts- unter dem Deckmantel einer angeblichen Israelkritik antisemitische Hetze, sie rufen offen zur Intifada auf -zum Mord an Jüdinnen und Juden-, fordern die Zerstörung Israels und lassen sich auch schonmal gemeinsam mit Sprechern der islamistischen Terrorgruppe Hamas für Urlaubsfotos ablichten. Auch wenn BDSBefürworter:innen den Vorwurf des Antisemitismus von sich weisen: Eine Unterstützung von BDS kommt –unabhängig von der individuellen Intention– einer Unterstützung der antisemitischen Kampagnenziele des BDS gleich.

Besonders jetzt, in Anbetracht multipler Krisen, wo viele Menschen sich das Leben einfach nicht mehr leisten können, müssen wir als antiautoritäre und progressive Linke auch Antisemitismus in unseren Reihen klar benennen und bekämpfen. Allzu oft werden komplexe Sachverhalte durch die Personalisierung und in einer verkürzten Kritik am System Kapitalismus in einer Verschwörungserzählung gebracht, in der einzelne Personen, eine vermeintlich „übermächtigen Elite“ nicht nur verantwortlich, sondern meist im moralischen Sinne schuldig gesprochen werden.

Insbesondere die Personifizierung des Kapitalismus führt dazu, Schuldige ausmachen zu wollen, statt das System einer radikalen Kritik zu unterziehen. Daraus folgt, dass in der politischen Praxis nicht der Kapitalismus, sondern allein die Kapitalist:innen bekämpft werden. In diesem Weltbild steht dann einer „bösen“ Kapitalist:innenklasse eine „gute“ Arbeiter:innenklasse gegenüber. Kapitalismus wird nur als „Verteilungsproblem“ wahrgenommen, in dem einige „bösartige Reiche“ den „armen Ausgebeuteten“ ihren gerechten Lohn vorenthalten. So sehr Einzelne durch besonders brutale Gewalt oft vom Elend vieler profitieren, die Akteur:innen bleiben oft austauschbar. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass manche Interessensgruppen unseren revolutionären Interessen – also dem Bestreben um ein gutes Leben für alle – konträr gegenüber stehen und hier Kämpfe auszutragen sind. Dennoch: Eine tiefergehende Kapitalismuskritik muss auch immer das System beinhalten, sie darf nicht bei den Akteur:innen stehen bleiben. Dass das Unrecht nicht dem Systemcharakter geschuldet ist, sondern Namen und Adresse hätte – der Kapitalismus also nichts anderes wäre als eine Verschwörung bösartiger Reicher – ist ein
alter Mythos, der auch in weiten Teilen der Linken besteht.

Die blinden Flecken des Antisemitismus, die sich auch in linken und antikapitalistischen Diskursen und Bewegungen auftun, müssen eindeutig benannt werden. Antisemitischen Tendenzen sollte auch dann Einhalt geboten werden, wenn sie unter dem Deckmantel eines vermeintlich für Humanismus und Menschenrechte eintretenden Kampfes auftreten.

Als Antifaschist:innen sehen wir es als unsere Aufgabe auch Antisemitismus -ganz egal, wer
diesen formuliert, ganz egal von wem dieser ausgeht- zu erkennen, zu benennen und
schließlich zu bekämpfen. Für das Paradies auf Erden – Gegen Islamismus, Antisemitismus,
Rassismus und Alles was uns sonst davon trennt!


Join your local OAT!

Tausende “besorgte Bürger*innen” tragen gemeinsam mit der organisierten rechtsextremen Szene ihren Antisemitismus und ihre menschenfeindlichen Ideologie offen auf die Straßen der Wiener Innenstadt. Die FPÖ hetzt seit Jahren im Parlament und die (Neo-)Nazis waren nie weg. Rechtsextremismus hat viele Facetten – ob religiöser Fundamentalismus, Burschenschaften oder Nazi-Hipster:

Es wird Zeit, was dagegen zu tun!

Wir haben keine Lust auf den rechten Normalzustand.
Du auch nicht? Dann komm zum Offenen Antifaschistischen Treffen (OAT)!

Egal, ob du dich erst seit kurzem antifaschistisch organisieren willst oder es davor schon warst, das OAT ist ein Ort, an dem wir uns weiterbilden, Erfahrungen sammeln und austauschen können. Wir wollen ein Anlaufpunkt für alle antifaschistischen, feministischen und antirassistischen Personen sein, die sich fernab von Parteijugenden oder NGOs organisieren möchten. Gemeinsam können wir gegen rechte Umtriebe aktiv werden: indem wir z.B. Demos organisieren, plakatieren, flyern, stickern oder Veranstaltungen planen. Es gibt viele Möglichkeiten, um für eine bessere, solidarische Welt zu kämpfen.

Wann? Immer am zweiten Dienstag im Monat / Offen ab 19:00 Uhr, Beginn 19:30 Uhr
Wo? Alte Mensa des Kulturzentrums 4lthangrund (Augasse 2-6, 1090 Wien)

Auf unserem Treffen ist kein Platz für Sexismus, Antisemitismus, Rassismus, Homo- und Transfeindlichkeit und andere menschenfeindliche Ideologien, damit sich alle Menschen bei uns wohlfühlen können. Bitte trag in den Innenräumen FFP2-Maske und komm nach Möglichkeit PCR-getestet.
Kontaktiere uns gerne für mehr Infos zum barrierearmen Zugang!

Wir sehen uns beim Offenen Antifa Treffen!

Mehr Informationen: https://oatwien.noblogs.org/

Unsere neue Plakatreihe bringt unsere Wut über die derzeitigen – kapitalistischen – Zustände an die Wände. Die Plakate liegen seit einer Woche in mehreren Lokalen in Wien auf, wir freuen uns über Verbreitung!

dass Arbeit sich lohnt …

„stellen wir sicher, dass sich Arbeit wieder lohnt“ fordert August Wöginger, Klubobmann der ÖVP per Presseaussendung Ende März 2019. Es ist keine Gehaltserhöhung für seine Mitarbeiter_innen, die er bekannt gibt: Die Regierung will die Mindestsicherung kürzen – vor allem für „Zuwanderer“, versteht sich.

Dass keine_r, die arbeitet, dadurch einen Cent mehr bekommt, weiß auch der ÖVPler: Ein „Anreizsystem“ soll durch die Verarmung der Ärmsten geschaffen werden. Das bedeutet: Arbeitslose Menschen werden gezwungen, so sie denn einen Job finden, für noch schlechtere Löhne zu arbeiten. Das senkt das Lohnniveau und freut die Unternehmen, die billige Arbeitskräfte für Geschäfte und Gewinne brauchen. Das hilft dem „Wirtschaftswachstum“ – dem zarten Pflänzchen, um dass sich noch jede Regierung liebevoll gekümmert hat.

Arbeit macht das Leben aus

Wie Wöginger weiß auch Parteikollege Sebastian Kurz, dass sich die Rolle der meisten Menschen in dieser Wirtschaft ziemlich mühsam anfühlt. Wenn wir nicht das seltene Glück hatten, größere Anteile einer Aktiengesellschaft zu erben, sind wir – ökonomisch gesehen – Lohnabhängige: Wir müssen (nach einer Zeit der Vorbereitung in Schule, Ausbildung oder Uni) eine Arbeit finden – sonst können wir uns die Sachen, die es zum Leben braucht, nicht leisten.

Um den gelegentlichen Frust darüber weiß der Kanzler und hat eine Lösung parat: „Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein“ begründet er Pläne zur Reform von Mindestsicherung und Arbeitslosengeld: Wenn es Leuten, die keine Arbeit finden, noch schlechter geht, ist der Zwang so spürbar, dass wir uns glücklich schätzen müssen, wenigstens irgendeinen Arbeitsplatz zu haben. Selbst wenn dieser 8, 10 oder 12 Stunden unseres Tags in Anspruch nimmt und damit „Freizeit“ zu einer lächerlichen Restgröße macht, wissen wir, dass andere schlechter dran sind.

Damit die Wirtschaft brummt

Warum muss gekürzt werden, wenn doch die Wirtschaft brummt? Warum geht es nach Jahrzehnten des Ziels „Wachstums“ nicht irgendwann auch um Verteilung? Warum wird die Arbeitszeit verlängert, wenn es doch Arbeitslose gibt, die keine Arbeit finden?
In dieser Wirtschaftsordnung gibt es einen grundlegenden Gegensatz: Im Kapitalismus geht es nicht um das gute Leben aller Menschen, sondern um die Vermehrung des Kapitals der Unternehmen.
In den Städten werden keine Wohnungen gebaut, wenn Menschen Wohnungen brauchen. In den Fabriken wird kein Essen produziert, weil es Hunger gibt. Nur Bedürfnisse, für die bezahlt wird, werden erfüllt – wenn ein Unternehmen sich davon Gewinne erhofft.

Eine andere Welt ist möglich!

So lange das so ist, ist das Leben für die meisten von uns vor allem eins: Anstrengend und existenzbedrohend. Um diesem Elend ein Ende zu setzen, muss diese Ordnung abgeschafft werden. Eine Welt, in der Arbeit ein Mittel für unsere Bedürfnisse ist, in der wir gemeinsam produzieren, was wir brauchen, ist möglich.

eine Welt ohne (Lohn-)arbeit ist möglich!

In Österreich und Europa erleben wir ein diffuses Zusammenspiel von ökonomischen, (sicherheits-)politischen und sozialen Umwälzungen. Unsere Zeit ist geprägt von Phänomenen, die man als Ausdruck von Entsicherung bezeichnen kann – die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus wird immer deutlicher sichtbar. Die einfache Antwort vieler ist der Wunsch nach einem „starken Mann” der Stabilität bringen soll. „Lieber weniger Freiheit als Chaos”, so die allgemeine Meinung. Dieser Wunsch wird von mehreren Seiten bedient, die Autoritären sind in der Offensive: Ob FPÖ, „Identitäre“, türkische oder polnische Nationalist*innen, islamistische und jihadistische Gruppen: Sie alle versprechen eine andere politische Ordnung, und zwar ein kompromissloses Regieren für das jeweils eigene „Volk”. Dieses wird entlang der Linien von Nation, Ethnie und/oder Religion bestimmt. Bedient wird dieser Wunsch aber auch von staatlicher Seite: Wir erleben eine Normalisierung ehemals deutlich von rechts besetzter Forderungen. Nicht nur die Verschärfung der Sicherheitspolitik, massive Überwachung, der Abbau bis hin zur faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl, sondern auch die generelle autoritäre Zuspitzung staatlichen Handelns wird zumeist, wo nicht beklatscht, doch zumindest als neue Normalität hingenommen.

In Zeiten offensichtlicher Krise müssen Geflüchtete – und Andere, welche nicht als Teil der nationalen Gemeinschaft wahrgenommen werden – als Verursacher*innen der gesellschaftlichen Probleme herhalten. Und wenn die „Fremden” an allem Schuld sind, wird der Staat als Beschützer der nationalen Gemeinschaft angerufen. Doch der Staat kann das Auftreten von Krisen im Kapitalismus nicht verhindern. Er wird uns nicht retten, denn der Staat ist Teil des Elends. Und er setzt seine Gewalt ein, durch Gesetze, Aufrüstung und Einschüchterung, wenn seine Legitimität in krisenhaften Zeiten angezweifelt wird. Er muss von seiner offensichtlichen Machtlosigkeit gegenüber globalen ökonomischen Entwicklungen ablenken. Antisexistische, antirassistische und antifaschistische Kämpfe bleiben notwendig, unsere Kritik muss aber an der Wurzel ansetzen. Der patriarchale Kapitalismus als komplexes System, das in all unsere Lebensbereiche einwirkt und die Regeln des täglichen Miteinanders festschreibt, muss angegriffen werden. Die Werte unserer unmenschlichen Leistungsgesellschaft sind so gut antrainiert, dass es schwer fällt, sich eine andere Praxis, geschweige denn die Möglichkeit einer anderen Gesellschaft, überhaupt vorzustellen.

Die Kampagne „Raus aus der Ohnmacht!“ soll dazu mobilisieren, Aktionen und Veranstaltungen gegen den Kapitalismus, den Staat und seine autoritäre Formierung zu organisieren. Wenn wir aus dem Hamsterrad der Ohnmacht, der Abwehrkämpfe, der Vereinzelung und Marginalisierung ausbrechen wollen, brauchen wir eine breite, starke und handlungsfähige radikale Linke! Nur wenn wir uns organisieren und unserer Kritik in Aktionen und Texten transparent und nachvollziehbar Ausdruck verleihen, sie für Menschen zugänglich machen und so als radikale Linke mehr werden, ist Veränderung denkbar!

Für ein gutes Leben für Alle!

Lange Version zum weiterlesen hier