Seit Jahren wiederholt sich in regelmäßigen Abständen das selbe traurige Schauspiel: Sobald der sogenannte „Nahostkonflikt“ wieder eskaliert, eskaliert auch der Antisemitismus auf den Straßen Wiens. Angeführt von Vereinen, deren alleiniger Zweck es ist, den einzigen jüdischen Staat auslöschen zu wollen, bildet sich eine Allianz aus „linken“ Antiimperialist*innen, islamistischen Fundamentalist*innen, Neonazis und türkischen Rechtsextremen, die die Gunst der Stunde gekommen sehen, um dem verhassten „zionistischen Gebilde“ endlich den Todesstoß zu versetzen. Der antizionistischen Hetze gegen Israel geht es nicht um eine Kritik an Staat und Nation. Ganz im Gegenteil. Sie beleuchtet alle Grausamkeiten moderner Staatlichkeit nicht zufällig nur am einzigen jüdischen Staat, der hier als antisemitische Projektionsfläche dient, um guter von böser Herrschaft zu unterscheiden, anstatt jegliche Unterdrückung abschaffen zu wollen.
Denen, die sich die „Palästinasolidarität“ auf die Fahnen heften, geht es nicht um die Befreiung der palästinensischen Zivilist*innen aus den Verhältnissen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, geknechtetes, verlassenes Wesen ist. Vielmehr verdoppeln sie diese Knechtschaft im Namen „nationaler Befreiung“ oder verharmlosen islamistischen Terror als antikolonialen Widerstand. Der vermeintliche Einsatz gegen das Leid und für die Rechte der Palästinenser*innen wird dabei nur solange vorgebracht, solange sich daraus ein Vorwurf gegen Israel machen lässt. Und somit wird in diesen Kreisen gerne geschwiegen von den menschenverachtenden Praktiken der Hamas oder der palästinensischen Autonomiebehörde gegen die eigene Bevölkerung. Geschwiegen wird vom Leid jener, die über Generationen hinweg im Status von Flüchtlingen ohne Rechte und als Verhandlungsmasse gegen Israel in Zeltstädten festgehalten werden. Geschwiegen wird von der anderen Nakba, der Vertreibung von 450.000 Palästinenser*innen aus Kuweit 1991, aus Rache dafür, dass sich die PLO zu dem Massenmörder Saddam Hussein bekannte. Geschwiegen wird von der Situation der Palästinenser*innen in Jordanien oder im Libanon, die dort unter menschenunwürdigen Zuständen leben müssen.
Geschwiegen wird zur Instrumentalisierung palästinensischen Leidens durch reaktionäre Bewegungen und Regime wie in der Türkei, dem Iran oder in Syrien. Diese Bewegungen speisen sich aus dem imaginierten Zusammenhalt gegen „den jüdischen Unterdrücker“ und äußern im selben Atemzug Vernichtungsfantasien gegen andere Minderheiten, wie gegen Êzid*innen, Alevit*innen, Armenier*innen und Kurd*innen. Was sich am Samstag den 7. Oktober in Israel zugetragen hat, war der schlimmste Angriff auf jüdisches Leben seit der Shoah. Seither wurden noch nie so viele Jüdinnen*Juden an einem Tag ermordet, wie an diesem Samstag. Die Mörder filmten ihre Taten voller Stolz und verbreiteten sie teilweise via Livestream. Menschen wurden massenweise erschossen, vergewaltigt, verschleppt. Familien wurden samt ihren Kindern gequält und ermordet. Was sich an diesem Samstag gezeigt hat, war ein antisemitisches Pogrom. Die Hamas hat das in die Tat umgesetzt, was sie schon seit Jahrzehnten als ihr politisches Programm formuliert: Die Vernichtung jüdischen Lebens.
Sie führte uns vor Augen, was die Zerstörung Israels bedeuten würde: Das Ende jüdischen Lebens im Nahen Osten. Finanziert wurde dieses Pogrom maßgeblich vom iranischen Mullah-Regime und seinen Verbündeten. Das was in Deutschland und Österreich als nationalsozialistisches Vernichtungswerk begonnen hat, findet im Kerngedanken durch aktive Propaganda des NS-Regimes vor der Staatsgründung Israels 1948 als eleminatorischer Antisemitismus in der Charta der Hamas, den überall kursierenden antisemitischen Verschwörungstheorien und den Vernichtungsdrohungen des Iranischen Regimes gegen Israel seine Fortsetzung. Das Massaker in Südisrael war, als hätte die finsterste Epoche der Menschheitsgeschichte über die Zeit hinweg in die Gegenwart gefasst und Menschen aus ihr herausgerissen. Die dahinterstehende Ideologie treibt in der ganzen Region ihr blutiges Unwesen, neben Minderheiten sind es vor allem Frauen und queere Menschen, die als erste unter ihr Leiden.
Sie sind Opfer ohne Lobby, die als Feindbilder jeder reaktionären Gemeinschaftsideologie das Straf- und Verfolgungsbedürfnis jener auf sich ziehen, die sich wahlweise für Gott oder Vaterland unterordnen und zurichten. Wir sehen es im Iran, wo Proteste von Menschen, die für ihre Freiheit und gegen Tugendterror, Patriarchat und Unterdrückung kämpfen, blutig niedergeschlagen werden. Wir sehen es in Afghanistan, wo unter der erneuten Terrorherrschaft der Taliban jede Emanzipation im Keim erstickt wird. Wir sehen es aber auch in Gaza, wo die Hamas an der Macht ist, wo jede emanzipatorische Organisierung, wie die in Gewerkschaften oder als soziale Proteste, brutal zerschlagen werden. Wo nun tausende von Zivilist*innen in einem Krieg sterben, den die reaktionären Regierenden im Nahen Osten wachhalten, weil der Fingerzeig auf Israel ihrem Machterhalt dient. In Solidarität mit allen Menschen, die im Nahen Osten wie überall auf der Welt für echte Befreiung kämpfen, wollen wir am Samstag auf die Straße gehen.
Unsere Gedanken sind bei all jenen, die ermordet oder verschleppt wurden, bei ihren Angehörigen und Freund*innen, bei Jüdinnen*Juden in Europa und anderswo, die nun Angst haben müssen, dass sich die Welle antisemitischer Gewalt auch hier ausbreitet. Unsere Gedanken sind bei jenen Menschen in Gaza, die sich in einer nicht selbst gewählten Situation wiederfinden, die den Militärschlägen der israelischen Armee ebenso ausgesetzt sind wie dem Terror der islamistischen Herrscher. Unsere Gedanken sind bei all jenen, die jetzt von Rassismus und Gewalt betroffen sind. Denn es sind genau jene Staaten in Europa, die nach islamistischen Anschlägen mehr Abschiebungen und Polizei fordern, die zugleich vom Handel mit islamistischen Regimen profitieren und ihren eigenen Antisemitismus externalisieren und auf Migrant*innen projizieren.
Mögen europäischer Rechtsextremismus und Islamismus noch so unvereinbar erscheinen – sie sind zwei Seiten der selben Medaille und sie nähren sich aus der rassistischen Spaltung, die der vorherrschende Diskurs produziert. Unsere Gedanken sind auch bei den Menschen in Rojava, die gerade fernab aller Medienöffentlichkeit dem Angriffskrieg des türkischen Regimes, einem engen Verbündeten der Hamas, ausgesetzt sind.
Unsere Solidarität gilt genau jenen, die für das Leben und gegen den Tod einstehen, die sich eine Welt ohne Gewalt, ohne Herrschaft, Zwang und Unterdrückung, ohne Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus und Islamismus wünschen – ob in Israel, Palästina oder sonstwo! Denn, wie uns schon die feministische Revolution im Iran gezeigt hat: Freiheit ist nicht östlich oder westlich, sondern universell!