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Gegen Nationalismus und Antisemitismus – auch in der Linken

Warum wir unsere Unterstützung für die Rosa Luxemburg Konferenz 2019 (Wien) zurückziehen.

Vor den „Verwüstungen, die durch den nationalistischen Standpunkt“ angerichtet werden, warnte Rosa Luxemburg bereits 1908. Und auch heute noch muss der Nationalismus, neben dem Antisemitismus, als einer der größten Feinde derer gelten, denen gesellschaftliche Emanzipation am Herzen liegt. Nationalismus schafft Gemeinsamkeiten, wo keine sind, und spaltet dort, wo gemeinsame Interessen artikuliert werden könnten. Er überdeckt die Klassenwidersprüche durch falsche Gemeinschaftsbildung, ordnet die Individuen und deren Bedürfnisse dem „nationalen Interesse“ unter und bietet auf ideologischer Ebene den Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe, durch den Ausschluss der Anderen. Herrschaft und Ausschluss sind also die Grundprinzipien des Nationalismus. Denn wie es keine Atomkraftwerke ohne Atommüll geben kann, keinen Kapitalismus ohne Krise, kann es auch keinen Nationalstaat geben, ohne die beständige gewaltsame Ausgrenzung von Nicht-Staatsangehörigen. 

Schon damals schrieb Rosa Luxemburg davon, dass der „Gedanke des Klassenkampfes“ derzeit „vor dem nationalen Gedanken“ kapituliert. Heute, und mit der geschichtlichen Erfahrung des Nationalsozialismus und der Shoah, scheint dieser Gedanke aktueller denn je. Auch in Hinblick auf die Linke. Es erscheint mehr als zynisch wenn im Namen Rosa Luxemburgs, die gerade durch ihre Einwände gegen die nationalistische Raserei positiv aus der Geschichte des Arbeiterbewegungsmarxismus herausfiel, eine Konferenz abgehalten wird, an der munter über ein „links-souveränistisches Projekt“ diskutiert werden soll. Ist der Gedanke an sich schon schlimm genug, dass eine Linke dem globalen Kapitalismus nicht die Perspektive einer klassenlosen Weltgesellschaft entgegenhält, sondern die „Souveränität der Völker“ als vermeintlich widerständiges Projekt gegen „Neoliberalismus und Globalisierung“ verkauft, und damit Verrat an jedem emanzipatorischen Anspruch übt, wird einem beim Blick auf die Teilnehmenden der Diskussion besonders übel: Neben der KPÖ Steiermark, deren Vertreter es wohl eher mit der Losung „Sozialismus in einem Bundesland“ hält, nimmt dort auch eine Vertreterin der Antiimperialistischen Koordination teil, die als besonders üble antisemitische Truppe seit Jahrzehnten traurige Bekanntheit erlangte und an deren Kundgebungen auch schon mal stramme Neonazis teilnahmen. (1) Neben der Hausausbildung einer antisemitischen Querfront gegen den Imperialismus, fiel die AIK in der Vergangenheit immer wieder durch übelste Hetzte gegen Israel auf, was ihnen des Öfteren auch Applaus von ganz rechts außen einbrachte, die die linken Antiimperialisten für ihre Kompromisslosigkeit schätzen. (2) So war ein Vertreter der AIK auch Redner am antisemitischen Al-Quds Tag vergangenes Jahr in Wien, Berührungsängste mit dem iranischen Regime hat man ja schon lange nicht mehr. 

Wilhelm Langthaler, der Kopf der AIK, lässt sich auch gerne mit Patrick Poppel auf Veranstaltungen ablichten, und unterstreicht damit die aktuellen Querfront-Bestrebungen als pro-russisch, antiwestliches Bündnis mit Reaktionären aller Art. So ist Poppel, Chef des berüchtigten Suworow-Institutes, neben vermeintlichen Linken (auch aus dem Umfeld der Konferenz-Organisatoren) auch mit der FPÖ bestens vernetzt, wie Fotos mit ihm und Gudenus belegen, oder gleich in die neofaschistischen Kreise des ehemaligen Bundessprecher der „Identitären“ und „patriotischen Aktivisten“ Alexander Markovics, der aktuell als „Generalsekretär“ des Suworow-Institutes seinen Dienst versieht und schon mal den Nationalbolschewisten und ausgewiesenen Faschisten Alexander Dugin nach Wien einlud. (3) 

Bei so viel nationalistischer Strahlkraft wundert es auch nicht, dass auch Hannes Hofbauer vom Promedia Verlag über sein neues Machwerk „Kritik der Migration“ auf der Konferenz berichten darf. Dort wird die „Massenmigration“ mal mit der „Deregulierungen am Arbeits- und Wohnungsmarkt“ in Verbindung gebracht, mal wird das „zerstörerische Potenzial“ der „Wanderungsbewegungen“ beklagt, und warum sich die Linke sträube dies endlich anzuerkennen. Dass der Akkumulationsprozess des Kapitals, unabhängig von Migration, eine an die Verwertungsbedürfnisse des Kapitals angepasste Überbevölkerung erzeugt, die wiederum Lohnforderungen im Zaum hält, scheint ihn genau so wenig zu beeindrucken, wie dass es keine belegten Zusammenhänge zwischen Zuwanderung und der Situation am Wohnungsmarkt gibt, wohl aber solche zwischen leerstehenden Wohnraum und Profitmaximierung. Statt der linken Forderung, beschäftigte und unbeschäftigte Lohnabhängige, egal welcher Nationalität, zu organisieren und ihre gemeinsamen Interessen gegen ihre Konkurrenz untereinander in Stellung zu bringen, oder für das Recht für Bewegungsfreiheit für alle Menschen einzutreten, scheint sich Hofbauer lieber nationalistischen Ressentiments zu widmen. Mit Ressentiments kennt sich der Herr schließlich aus, hatte er als Verlagsleiter das Buch Blumen aus Galiläa von Israel Shamir mitherausgegeben und auch nach scharfer Kritik daran dieses hartnäckig verteidigt. Shamir ist nämlich in Wirklichkeit schwedischer Staatsbürger und orthodoxer Christ, der beste Kontakte zur Neonazi-Szene pflegt. Doch wenn man sich als Jude ausgibt, lässt sich wohl viel unverhohlener gegen eben jene hetzen – so vielleicht der Gedanke. (4) 

Ein Paradebeispiel für strukturellen Antisemitismus liefert auch Otmar Pregetter und schafft damit den Hattrick, was mehr als kritikwürdige Veranstaltungen auf der Konferenz betrifft. Otmar Pregetter, der meint das „Plutokraten die Welt regieren“, will sich dem annehmen, was seit jeher das Ressentiment jener auf sich zieht, die von Gesellschaftskritik nichts wissen wollen und dennoch das „System“ kritisieren versuchen: Das Geld. Dass er mit der Herrschaft des Geldes nicht jene des Kapitals meint, wird schon durch die Schreibweise des Titels der Veranstaltung ersichtlich: wer reGIERt das Geld? fragt sich der Ökonom und weist darauf hin, dass das „Schuldgeldsystem“ der Banken einfach „GELD AUS DEM NICHTS“ erzeugt. Nicht die menschenverachtende Rechenweise des Kapitalismus an sich scheint ihm das Problem, die alles und jede nach Verwertbarkeitskriterien sortiert und zurichtet, und Menschen wie Staaten in Konkurrenz zueinander setzt, sondern die scheinbare Gier einer verschworenen, verdorbenen Clique, die mittels Geld und Schuld ihre Herrschaft über die Menschheit zementiert. Dass diese Analyse nicht nur falsch ist und auf dem Schein der Oberfläche verharrt, weil sie nicht die Grundkategorien kapitalistischer Vergesellschaftung wie Ware, Kapital und Arbeit kritisiert, sondern auch gefährliche Nähen zu antisemitischen Gedankenbildern aufweist, liegt bei dieser moralisierenden und personalisierenden „Kapitalismuskritik“ auf der Hand. 

Angesichts dieser Melange, die an der Konferenz hofiert wird und mit der die Veranstalter*innen ausdrücklich kein Problem haben, scheint uns eine Unterstützung nicht mehr möglich. Im Gegenteil sehen wir die Konferenz als Problem, weil sie linksnationalistischen und antisemitischen Inhalten Platz gibt. „Nicht ein an jedes gesondertes Fleckchen Erde angepasster ‚Sozialismus‘, nicht die Diktatur im letzten Winkel ist die historische Mission des Proletariats, sondern die Weltrevolution.“ Denn die „geschichtliche Aufgabe“ des Proletariats ist „die Abschaffung dieses Staats als politische Form des Kapitalismus“ (Rosa Luxemburg). Dem können wir nur beipflichten. 

Wir rufen alle emanzipatorischen Kräfte auf, auch ihre Unterstützung der Konferenz zurückzuziehen. Auf ein Einlenken der Veranstalter*innen scheint nicht zu hoffen zu sein. Sollten wir hier eines Besseren belehrt werden, freut uns das umso mehr. 

Für eine antinationale radikale Linke! 

(1) https://spme.org/spme-research/analysis/heribert-schiedel-die-beziehungen-zwischen-dem-iranischen-regime-und-rechtsextremen-organisationen/6592/

(2) http://www.gegendenantisemitismus.at/00012003.php

(3) https://derstandard.at/2000042003825/Sputnik-Gudenus-Identitaere-Russisch-rechtes-Rendezvous-in-Wien#

(4) http://www.gegendenantisemitismus.at/00052005.php

Zur antinationalen Marxistin Rosa Luxemburg: https://jungle.world/artikel/2014/01/selbstbestimmung-als-phrase