Krisengewinner*innen?
Der 1.Mai steht seit 1890 für den weltweiten Zusammenhang aller Arbeitnehmer*innen und Lohnabhängigen. Basis war die Einsicht gemeinsam mit der großen Mehrheit der Menschheit auf der Seite der Verlierer*innen zu stehen, sprich ausgebeutet zu werden und sein Leben nicht in Würde und Selbstbestimmung leben zu können. Daraus entstand politischer Optimismus, Kraft für soziale Auseinandersetzungen, die unser aller Leben verbessert haben (allgemeines Wahlrecht, Urlaubsanspruch, Krankenversicherung, Arbeitszeitverkürzung, uvm.). Heute hingegen denken viele Arbeitnehmer*innen: „Ich gehöre zu den Gewinner*innen, mir geht’s im Vergleich immer noch besser!“
No future?
Doch woher kommt gegenwärtig die schlechte Stimmung, das reale Gefühl, dass alles teurer, korrupter, anstrengender, unverständlicher wird? Aus dem Fortschrittsoptimismus der 1970er: „Es geht uns allen gut“ wurde: „zumindest vielen“ wurde: „zumindest mir und meiner Familie“. Warum? Weil wir es mit der Angst zu tun bekommen haben, dass es bald nur mehr ein paar wenigen gut gehen könnte.
Wenn im Klassenerhalt alle wie wahnsinnig um die Wette laufen, wird es unbequem! Zuerst kommen manche Bekannte, einige Freunde und als nächstes vielleicht du selbst unter die Räder. Die soziale Ungleichheit nimmt extrem zu. Zentrale gesellschaftliche Versprechen können nicht mehr eingelöst werden und kollektive Träume sind zerplatzt. Sich das Ende der Welt auszumalen scheint mittlerweile realistischer als eine bessere Zukunft: Stichwort Klimakatastrophe, Pandemien, neue globale Konflikte und Kriege, Wirtschaftskrisen und Hyperinflation.
Geist des 1.Mai!
In Mitten von Angst können wir nicht klar denken. Der Geist des 1. Mai ist das Gegenmittel. Der 1. Mai steht für das Einfache das schwer zu machen ist – für eine globale solidarische Alternative: die Klassenlose Weltgesellschaft. Wenn Utopien sterben, übernehmen Dystopien ihren Platz. Jetzt mal ehrlich, in welchem real gewordenen Film würdest du mitspielen wollen: Zombie-Apokalypse oder Liebesgeschichte?
Blicken wir auf positive Entwicklungen: Im Homeoffice vermissen wir das Büro nicht und wollen bei vollem Gehalt mehr Freizeit. Wir sind es uns Wert! Beim Überstunden-schieben ist uns das anerkennende Klatschen egal. Wir wollen nachhaltige Arbeitsbedingungen oder die Kündigung! Arbeitslosigkeit hat das Stigma der Selbstverschuldung verloren. Wir gönnen sie uns (falls wir Zugang dazu haben)! Instagram, twitter oder tic toc sind kein Ausgleich für reale Kontakte, sie machen uns nervöser und unzufriedener. Wir brauchen menschliche Empathie! Im Lockdown gehen wir raus in die Natur weil unsere Wohnungen zu teuer, zu klein sind. Wir fordern leistbares Wohnen und eine intakte Umwelt!
Reale Utopie!
Nach zwei Jahren Pandemie sehen wir vieles klarer, jetzt ist es Zeit aktiv zu werden. In Wien regt sich Widerstand gegen die Kapitulation vor der Klimakrise, gegen den Ellbogenkampf der Individuen, gegen Aufrüstung und Krieg. Für ein besseres Leben für alle!
Weltweit gehen am 1. Mai viele Menschen gemeinsam auf die Straßen. Die Vielfalt der Anliegen ist keine Schwäche sondern unsere Stärke. Wir teilen den selben Horizont. Vielleicht auch mit Dir? Mut zur Utopie! Denn so wie es ist, wird es nicht bleiben. Tausche dich aus, stelle Fragen, organisiere dich. Solidarisch durch die Krisen, hin zu einer besseren Welt!