Alt text

In Österreich und Europa erleben wir ein diffuses Zusammenspiel von ökonomischen, (sicherheits-)politischen und sozialen Umwälzungen. Es fühlt sich an, als würden sich Ereignisse verdichten, als wäre auf einmal mehr los als die letzten Jahre. Der Terror von Rechts, ob von islamistischen oder klassischen Faschist*innen, erreicht zu oft sein Ziel, Angst zu verbreiten und rechtsextreme Positionen groß zu machen.
Nicht nur die Verschärfung der Sicherheitspolitik, der Abbau bis hin zur faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl, sondern auch die generelle autoritäre Zuspitzung staatlichen Handelns wird zumeist, wo nicht beklatscht, doch zumindest als neue Normalität hingenommen. In Zeiten immer größerer Unsicherheit, sozialer Abstiegsängste und immer stärker wachsenden Drucks sich den Zwängen und Anforderungen des Marktes anzupassen, kommt es zu einer Hochblüte autoritärer Politik durch den kapitalistischen Wettbewerbsstaat auf der einen und der Akzeptanz reaktionärer Ideologien auf der anderen Seite. Das alles ist kein Zufall. Werfen wir einen Blick auf die Veränderungen, die Zusammenhänge von österreichischer und europäischer Politik, den Rechtsruck, der sich durch die gesamte Bevölkerung zieht und den Kapitalismus als das Problem, über das niemand reden will.

Abschiebung, Abschottung, Überwachung
Mit welchen Veränderungen haben es wir also zu tun? Worin zeigt sich der Rechtsruck und Aufschwung rassistischer und reaktionärer Ideologien? Der Versuch einer Lagebeschreibung der aktuellen Krisensituationen in Österreich und Europa: Am offensichtlichsten zeigt sich eine autoritäre Zuspitzung des Staates in seiner Reaktion auf angebliche Bedrohungen von „Außen“. Mit dem Argument, die Souveränität und die Grenzen des Staates zu schützen, wird eine immer stärker militarisierte Abschottungs- und Abschiebepolitik gerechtfertigt. Die Abschiebung von Geflüchteten mit Militärflugzeugen und der Einsatz von Bundesheer-Spezialeinheiten inklusive Panzern an der Grenze sollen die Durchsetzungsfähigkeit des österreichischen Staates beweisen. Diese Zuspitzung geht mit einer gleichzeitigen Normalisierung ehemals deutlich von rechts besetzter Forderungen einher, wie beispielsweise die Propagierung einer „Festung Europa“ – einst eine Position der extremen Rechten, wird sie heute von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen.

In Zeiten offensichtlicher Krise müssen Geflüchtete – und Andere, welche nicht als Teil der nationalen Gemeinschaft wahrgenommen werden – als Verursacher*innen der gesellschaftlichen Probleme herhalten. Und wenn die „Fremden” an allem Schuld sind, wird der Staat als Beschützer der nationalen Gemeinschaft angerufen. Der Staat kann die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus nicht verhindern. Er muss von seiner offensichtlichen Machtlosigkeit gegenüber globalen ökonomischen Entwicklungen ablenken. Der Staat ist nicht in der Lage die Bevölkerung vor den Abgründen des Kapitalismus zu schützen. Um sich jedoch trotzdem der eigenen Stärke und Souveränität zu versichern, reagiert Österreich mit militärischer Symbolik und autoritärer Politik. Neben diesen, auf Abschreckung zielenden Politiken der Abwehr vermeintlicher Bedrohungen „von Außen“, fällt das Herstellen „innerer Sicherheit“ ebenfalls in den staatlichen Aufgabenbereich. So zeigen sich Entwicklungen hin zu einem autoritären Staat auch in Gesetzesbeschlüssen, wie dem neuen Staatsschutzgesetz. Massive Überwachung und die Erweiterung polizeilicher und verfassungsschutzlicher Befugnisse stehen im Zentrum. Unter dem Deckmantel der Prävention werden die repressiven Organe ausgebaut. Polizeiliche Ermittlungen sind noch vor einem konkreten Tatverdacht möglich, filmen und beobachten polizeilicher Kontrollen wird zugleich unter Strafe gestellt. Ohne nennenswerte Kritik wird diese als normal hingenommene autoritäre Zuspitzung vollzogen.

Die Kulturalisierung sozialer Konflikte
Während ein öffentlicher Diskurs über Sicherheit, in welchem die nationale Idylle als permanent bedroht dargestellt wird, überpräsent ist, steht es um das Thematisieren sozialer Sicherheit schlecht. Sicherheit wird nur jenen Personen garantiert, die ökonomisch verwertbar sind. Personen, die der gesellschaftlichen Norm nicht entsprechen können, wollen oder dürfen, bleibt hingegen ein Anspruch auf Sicherheit weitgehend verwehrt. Zusätzlich werden ihnen aufgrund ihrer prekären Situation negative Eigenschaften zugeschrieben (aggressiv, nutzlos, kriminell etc.), was dazu führt, dass sie als „Sicherheitsrisiko“ gelten. Strukturelle Probleme werden in rassistischer Manier als „kulturelle Unterschiede“ präsentiert. Dass vorrangig Personen ohne österreichische Staatsbürger*innenschaft in illegalisierten Gewerben arbeiten (müssen) liegt jedoch nicht an ihrem Berufswunsch, sondern ist das Resultat einer Situation, die wenige Alternativen offen lässt. Die Folgen kapitalistischer Verwertungslogik, z.B. Armut, werden als Ursache gesellschaftlicher Probleme verkannt. Daraus resultiert die Bekämpfung unerwünschter Personengruppen anstatt der Bekämpfung der Ursache. Wie sich eine solche Politik äußern kann, zeigte sich etwa an der Operation Spring (1999/2000) und dem Mord an Marcus Omofuma (1999), die schnell in Vergessenheit geraten sind. Aktuell macht die „Bekämpfung des Drogenproblems rund um die U6“ die Kontinuität rassistischen Vorgehens der Exekutive deutlich – und wird oftmals, wenn nicht aktiv gefordert, als normaler Teil des Alltags akzeptiert. Offen rassistisch wird alles Schlechte als die Schuld „der Muslime“, „der Ausländer“ oder „der Flüchtlinge“ erklärt. Besonders ekelhaft werden solche Beschuldigungen, wenn österreichische Sexisten glauben, „ihre Frauen“ vor „fremden“ Männern schützen zu müssen: Frauen* sollten am Besten nur mehr in Begleitung aus dem Haus gehen. Der rechte Mann kann sich dabei als heldenhafter Beschützer inszenieren und gleichzeitig den eigenen Sexismus auf „die Anderen“ projizieren: Sexistische und sexualisierte Gewalt gegen Frauen* wird hierbei nicht in ihrer Alltäglichkeit in der österreichischen/europäischen Gesellschaft begriffen, sondern wird kulturalisiert, also als angeblich „kulturelles Problem“ von Nicht-Österreicher*innen thematisiert. Die grundsätzlich patriarchale Struktur der Gesellschaft wird ohnehin geleugnet.

Der Wunsch nach Autorität
Unsere Zeit ist also geprägt von Phänomenen, die man als Ausdruck von Entsicherung bezeichnen kann. Ständig wird über Krisen geredet: Auf die „Wirtschaftskrise“ folgt die „Flüchtlingskrise“, seit Jahrzehnten wird nur noch übers Sparen gesprochen. Österreich sei pleite, es gäbe kein Geld für Bildung, Pensionen und fürs Gesundheitssystem. In der Gesellschaft ist man sich scheinbar einig, dass es keinen weiteren Aufstieg mehr gäbe, dass das Limit am Finanzierbaren erreicht sei und es ab jetzt bergab geht. Der scheinbare Verlust von Ordnung und Sicherheit macht Angst. Die Antwort ist der Wunsch nach einem “starken Mann” der Stabilität bringt. “Lieber weniger Freiheit als Chaos.” Die Autoritären sind in der Offensive. Ob FPÖ, „Identitäre“, türkische oder polnische Nationalist*innen, islamistische und jihadistische Gruppen: Sie alle versprechen eine andere politische Ordnung, und zwar ein kompromissloses Regieren für das jeweils eigene „Volk”. Dieses wird entlang der Linien von Nation, Ethnie und/oder Religion bestimmt. Das autoritäre Versprechen lautet: „Ich bin einer von euch und fühle euren Schmerz. Ich beschütze euch vor den Bedrohungen von Außen und bekämpfe die Eliten, die euch in diese Lage gebracht haben. Bei mir kommt ihr wieder zuerst dran.”
Menschenfeindlichkeit, erkennbar in der Betonung von Ungleichwertigkeit und der Verletzung der Würde von Menschen, wird allerdings auch verstärkt in öffentlichen Aussagen und Handlungen aus der gesellschaftlichen Mitte sichtbar. Diese werden dann als Berechtigung für unterschiedliche Formen von Diskriminierungen und Gewaltakten verwendet. Eine ständige Fokussierung der Kritik auf den rechten Rand, sei dieser österreichischer, deutscher, türkischer oder islamistischer Ausprägung, führt leicht zur Entlastung einer vermeintlichen gesellschaftlichen Mitte und der bürgerlich-liberalen Linken. Denn der Rechtsextremismus ist ohne eine diskriminierende, autoritäre Mehrheitsgesellschaft undenkbar. Der Glaube an den starken Mann, der Standortnationalismus und antifeministische Praktiken bleiben wichtige Merkmale vor allem der Konservativen.

Die Revolte gegen die Moderne
Parallel zum Wunsch nach mehr staatlicher Autorität und zum gesamtgesellschaftlichen antifeministischen und rassistischen Backlash werden auf subjektiver Ebene weitere vermeintliche Lösungen in krisenhaften Situationen herangezogen. Diese basieren auf einer Externalisierung, Kulturalisierung und Personalisierung sozialer Konflikte. Besonders deutlich äußert sich das im Auftreten zweier regressiver Bewegungen, die kontinuierlich an Einfluss zu gewinnen scheinen und auf verschiedene Weisen das gesellschaftliche Klima prägen: Die völkisch-rassistische Revolte, deren zentraler Akteur die FPÖ ist, auf der einen Seite und islamistische Strömungen auf der anderen Seite. Erstere betreibt unter dem Vorwand eines angeblichen „Kampfes gegen die Islamisierung“ gegenwärtig vor allem Hetze gegen Geflüchtete und Muslime. Um eine Kritik an tatsächlichen reaktionären islamistischen Tendenzen geht es dabei nicht. Diese würde zwingend die Solidarität mit vor islamistischem Terror und Bürgerkrieg geflohenen Menschen beinhalten, genauso wie die Unterstützung all jener, die beispielsweise in der Türkei, in Kurdistan oder im Iran für Freiheit und Säkularisierung kämpfen. Sie würde die vielen muslimischen Opfer der Terroranschläge benennen, anstatt jeden weiteren Anschlag für die Verbreitung ihres antimuslimisch-rassistischen Bildes zu nutzen, das als willkommener Türöffner für bekannte rechtsextreme Positionen dient und diese in der angstgetriebenen Öffentlichkeit salonfähig macht. De facto handelt es sich aber um die alte völkisch-rassistische Wahnvorstellung eines Kampfes gegen „Überfremdung“, welche sich als „Verteidigung des Abendlandes“ darstellt. Tatsächlich tritt in letzter Zeit aber auch die zweite regressive Bewegung, der islamistische Autoritarismus, verstärkt öffentlich in Erscheinung. Er umfasst eine Bandbreite unterschiedlicher Phänomene, von repressiv-konservativen Gemeinden und Verbänden, über die Pro-AKP Mobilisierungen bis hin zum jihadistischen Terrorismus. Das Verhältnis der beiden „Bewegungen“ erscheint wie ein mythischer Kampf verfeindeter Brüder. Ihre Feindstellung gegeneinander verdeckt nur mühsam die große Ähnlichkeit der beiden Revolten gegen die moderne Gesellschaft: Beide teilen eine Weltsicht, die von abgeschlossenen und unveränderbaren Kulturen ausgeht. Daher versuchen gegenwärtig auch beide Seiten, unabhängig von realen sozialen Gegensätzen wie Klassenverhältnissen, den Gegensatz „Nicht-Muslime vs. Muslime“ als die zentrale Spaltungslinie zu etablieren. Sie sind wechselseitig aufeinander angewiesen und das jeweilige Gegenüber legitimiert den eigenen Kampf gegen die Moderne: Der Islamismus braucht Muslime als ewige Opfer und Abgehängte der westlichen Gesellschaften genauso, wie die völkischen Rassist*innen das islamistische Bedrohungsszenario. Die Sehnsucht nach einer angeblich konfliktlosen, harmonisch-homogenen Gemeinschaft, in der die gegensätzlichen gesellschaftlichen Interessen aufgehoben sind, wird einmal als „Nation“, ein anderes Mal als „Umma“ (Gemeinschaft der Gläubigen) gedacht. Offener Antisemitismus oder verdeckte antisemitische Denkmuster – vor allem in verschwörungstheoretischen Erklärungen sozialer und politischer Phänomene – Männlichkeitskult und Hass auf Frauen* und Homosexuelle und Transsexuelle sowie die Verehrung des Todes als Helden- und Kriegerkult sind weitere wichtige Gemeinsamkeiten.

Wie können wir diesen autoritären Strömungen, angesichts ihres widersprüchlichen Verhältnisses zueinander, nun entgegentreten?

Vereinzelung und Konkurrenz
Die radikale Linke darf sich nicht auf die Scheingefechte eines angeblichen Kampfes der Kulturen einlassen. Es muss darum gehen, die gegenwärtigen Autoritarismen – seien sie völkisch-nationalistischer oder islamistischer Prägung – als das zu kritisieren, was sie sind: reaktionäre Versuche der Krisenbewältigung, auch auf individueller Ebene. Sie sind als Ausdruck der prekären Existenz der Individuen in kapitalistischen Gesellschaften zu begreifen, Schiefheilungen einer fragilen Existenz, die noch fragiler zu werden droht.
In nationalstaatlich-kapitalistischen Gesellschaften wie der österreichischen kann der einzelne Mensch nur überleben, wenn er in der Konkurrenz am Markt besteht. Das erfordert eine enorme Anpassungsleistung: Jede*r Einzelne muss sich selbst und jede Regung des eigenen Lebens den Regeln von Markt und Staat unterwerfen. Man muss sich selbst permanent disziplinieren, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse unterdrücken und leugnen. Man lebt in einem Zustand der ständigen Selbst-Mobilisierung, in dem man sich immer wieder mit anderen vergleichen muss, sie übertreffen will und sich dafür selbst optimieren muss. Die Unterwerfung unter die Anforderungen der Konkurrenz reicht dabei bis tief in die psychische Struktur der Individuen. Sie können diese Selbstzurichtung vor allem dadurch erbringen, indem sie sich auch subjektiv sehr stark mit der Autorität von Markt und Staat identifizieren, die ihnen als „unser Land“/„unsere Wirtschaft“ begegnet. Die Ideale von Konkurrenzkampf, Leistung und Nützlichkeit werden in das Selbstbild übernommen und zu Leitmotiven des eigenen Lebens – die Einzelnen verinnerlichen den äußeren Zwang. Allerdings erwarten die Menschen auch, von der herrschenden Ordnung dafür belohnt bzw. entschädigt zu werden. Sie wollen an der Größe ihres Standortes teilhaben, und sich durch die Stärke der Nation, welche zum Teil des eigenen Ichs geworden ist, selbst stark fühlen. Auch der Vergleich nach unten und der stolze Blick auf den Platz, den sie sich in der Konkurrenz erkämpft haben, soll den von den täglichen Demütigungen angekratzten Selbstwert stabilisieren.

In der gegenwärtigen Krise verschärft sich diese Dynamik. Die in Aussicht gestellte Belohnung für die Unterwerfung (finanzielle Sicherheit, Planungssicherheit, der zu genießende Lebensabend, dass die Kinder es einmal besser haben, usw.) wird immer fraglicher. Mit der Krise des Sozialstaats, der Finanzkrise und der Eurokrise ist die soziale Unsicherheit zunehmend in die Mitte Europas zurückgekehrt und mit ihr eine bedrohliche Ahnung von der Instabilität des globalen Kapitalismus. Die Verarbeitung dieser Veränderungen befördert eine politische Subjektivität, die geprägt ist von Gefühlen der Ohnmacht und Angst und einem diffusen Ungerechtigkeitsempfinden. Die Einzelnen fühlen sich als Spielball anonymer ökonomischer Kräfte. Dafür muss der soziale Abstieg nicht einmal am eigenen Leibe erfahren werden. Abstiegsängste und die leise Ahnung, dass der eigene Standort von der Krise bedroht ist und daher auch die eigene „Belohnung“ in Gefahr ist, reicht, um die Legitimität des gesellschaftlichen Status Quo aus Sicht der Einzelnen erheblich zu schmälern. In ihrer Wut über die eigene Unterwerfung unter eine versagende Autorität werden als Erklärung für das eigene Elend Feindbilder geschaffen, an denen Wut und Hass entladen werden. Die Aggressionen richten sich nie gegen die wahre Ursache des eigenen Leidens – nämlich die Ordnung von Staat und Kapital, weil diese faktisch zu mächtig ist und weil nicht sein kann, was nicht sein darf: Dass am Ende genau jene Autoritäten, denen man das ganze Leben unterworfen hat, Schuld am eigenen Leiden sein könnten. Dass die ganze Selbstzurichtung umsonst gewesen sein könnte, dass sie weder ein schönes, noch ein freies, noch ein sicheres Leben garantiert.

Die kapitalistische Produktionsweise
Die Kritik an diesen Missständen muss an der Wurzel ansetzen. Dafür müssen tiefergehende Zusammenhänge erkannt und verstanden werden. Der Kapitalismus als komplexes System, das in all unsere Lebensbereiche einwirkt und die Regeln des täglichen Miteinanders festschreibt, muss angegriffen werden. Wie dies ganz grundsätzlich funktioniert und welche Rolle Patriarchat und Staat darin einnehmen muss also deutlich gemacht werden:
Der Kapitalismus zeichnet sich gegenüber vorkapitalistischen Produktionsweisen dadurch aus, dass er Ausbeutung und Herrschaft auf Basis vom Privateigentum an den Produktionsmitteln organisiert. Manche besitzen Produktionsmittel, andere haben nur den Verkauf ihrer Arbeitskraft als Einkommensquelle – sie sind also lohnabhängig. Diese Lohnabhängigen werden von den Kapitalist_innen – also den Besitzer_innen der Produktionsmittel – angestellt und ausgebeutet, d.h.: Lohnabhängige erarbeiten mehr, als sie im Tausch für ihre Arbeitskraft an Lohn erhalten. So entsteht der Mehrwert bzw. Profit für den_die Unternehmer_in/Kapitalist_in. Profit ist der eigentliche Zweck der Produktion. Die Befriedigung von Bedürfnissen dient lediglich als Mittel zur Realisierung dieses Zwecks. Hier darf allerdings nicht der Fehlschluss gemacht werden, Kapitalist_innen allein seien für das Übel des Kapitalismus verantwortlich, denn: Unter den Bedingungen der Konkurrenz hat das Handeln von Lohnabhängigen und Kapitalist_innen gleichermaßen Zwangscharakter. Lohnabhängige sind gezwungen ihre Arbeitskraft als Ware am Markt zu verkaufen, um ihre Existenz zu sichern und Kapitalist_innen sind gezwungen permanent ihren Gewinn zu vergrößern um am Markt bestehen zu bleiben.

Zur Rolle des Staates
Um zu gewährleisten, dass sowohl die Kapitalist_innen als auch die Lohnabhängigen sich gegenseitig als Eigentümer_innen anerkennen, braucht es eine Gewalt, die den reibungslosen Ablauf des Tausches garantiert: den Staat. Er sorgt dafür, dass die Konkurrenz und die Ausbeutung in der Gesellschaft nicht in offene Gewalt umschlägt. Dadurch, dass er die Menschen als abstrakt gleiche Rechtssubjekte anerkennt, schreibt er deren ökonomische Ungleichheiten fest, da er damit auch die herrschende Eigentumsordnung verschleiert und reproduziert. Er ist für die Reproduktion der kapitalistischen Gesellschaft als Ganze verantwortlich und damit keineswegs unparteiisch. Denn: Er ist für seine eigene Refinanzierung auf die erfolgreiche Vermehrung der Profite der Unternehmen auf seinem Territorium angewiesen, da er sich maßgeblich durch Besteuerung dieses Kapitals (sowie der aus ihm bezahlten Löhne und der sich daraus ergebenden Kaufkraft) finanziert.
Der Staat ist ein Wettbewerbsstaat, niedrige Löhne stellen seine Erfolgsgrundlage dar. Spätestens mit der seit 2008 akuten Krise des Kapitalismus spitzt sich dieser Wettbewerbsstaat autoritär zu. Das heißt die zunehmende Durchkapitalisierung aller gesellschaftlicher Sphären wird wenn notwendig auch mit Zwang durchgesetzt, was an Griechenland erst kürzlich sehr bildlich vor Augen geführt wurde. Doch auch die augenblickliche autoritäre Zuspitzung und die Militarisierung des Grenzregimes in Österreich sind nicht von dieser Entwicklung zu trennen.
Die Nation wiederum ist der ideologische Kitt, der die gegensätzlichen ökonomischen und sozialen Positionen, die der staatlich verwaltete Kapitalismus unter die Leute bringt, verdeckt. Die Staatszugehörigkeit der Individuen wird zu einer mystischen „Volkszugehörigkeit“, die je nach Bedarf mit einer Kombination aus angeblich gemeinsamer Kultur, Geschichte, Sprache etc. begründet wird. Mit der Realität haben diese nationalistischen Konstruktionen nur bedingt etwas zu tun, jedoch eignen sie sich hervorragend dazu, die staatliche Herrschaft in den naturwüchsigen Ausdruck einer vorbestimmten Gemeinschaft umzudeuten.

Patriarchat und Kapitalismus
Die Versuche einer reaktionären Krisenbewältigung zielen auch darauf ab, festgeschriebene Geschlechterrollenbilder zu stabilisieren und jene Fortschritte, die durch jahrzehntelange feministische Kämpfe erzielt wurden, rückgängig zu machen. Die „Sonderrolle“, die im Kapitalismus Frauen* zugeschrieben wird, muss an dieser Stelle betont werden. Reproduktionstätigkeiten und Lohnarbeit im Care-Sektor sind nicht nur besonders prekär, sie werden gesellschaftlich auch als Aufgabe von Frauen* festgeschrieben.
Der Reproduktionsbereich, der eigentlich außerhalb der kapitalistischen Verwertungslogik steht, ist Voraussetzung für das weitere Bestehen des Systems, auch wenn Teile des Reproduktionsbereichs durch Lohnarbeit erfolgen und in den Kapitalismus eingegliedert sind. Menschen umsorgen, pflegen, aufziehen erfordert keinen Egoismus, wirtschaftliche Rationalität oder Profitdenken, sondern viel mehr Fürsorge, Selbstlosigkeit, Emotionalität und Zuneigung. Dass eben diese Eigenschaften, Gefühle und Haltungen nun als „weiblich“ festgeschrieben und von „männlichen“ Eigenschaften getrennt werden, liegt nicht zuletzt in der fortgeschriebenen Geschichte des Patriarchats begründet. Die als „weiblich“ verstandenen Eigenschaften erfüllen also den Zweck, dass dadurch Frauen* essentiell dazu bestimmt werden, die Reproduktion zu übernehmen. Auch der vermehrte Eintritt österreichischer/westeuropäischer Frauen* in den Bereich der kapitalistischen Verwertungslogik ändert nichts an geschlechtsspezifischen Zuschreibungen und der Entwertung von Reproduktionstätigkeiten. Vielmehr bringt er zumeist eine Doppelbelastung mit sich, da die Reproduktion nach wie vor Frauen* zugeschrieben werden. Um der Mehrfachbelastung von Lohnarbeit und Reproduktionstätigkeiten zu entkommen, werden letztere im Sinne sekundärer Ausbeutungsmechanismen an Migrantinnen* ausgelagert, die sie häufig unter äußerst prekären Arbeitsverhältnissen ausüben.
Anerkennung bringt weder die Lohnarbeit noch die unentlohnten Haushalts-, Erziehungs- oder anderen Tätigkeiten im Reproduktionsbereich. Und mit der Nicht-Anerkennung dieser Tätigkeiten geht die Abwertung der notwendigen Eigenschaften, Gefühle und Haltungen für diese einher.
Die kulturell-gesellschaftliche Herstellung von Geschlechtsidentitäten geht also mit der geschlechtlichen Verteilung der Tätigkeiten im Kapitalismus einher. Das moderne Patriarchat und der Kapitalismus bedingen sich gegenseitig und können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Der Kampf gegen den Kapitalismus muss immer auch ein feministischer Kampf sein.

Die befreite Gesellschaft erkämpfen
Eine linke Kritik, die sich damit begnügt den „Abbau des Sozialstaats“ zu beklagen, sich auf die „gute, ehrliche Arbeit“ beruft und mehr staatliche Intervention in Zeiten der Krise fordert, hat nicht verstanden, dass sie so den Mitverursacher und Betreuer von Armut und Zwang als rettende Instanz anruft. Diese Position ist tendenziell offen für nationalistische Diskurse und das Suchen und (Er-)Finden von Sündenböcken. Der Staat ist nicht und war nie ein neutraler „Überbau“ der Wirtschaft, sondern muss als grundlegendes Element der politischen Ökonomie des Kapitalismus kritisiert werden.
Es geht darum, das Verhältnis von Staat, Nation, Patriarchat und Kapital zu verstehen und Ideologien zu reflektieren und zu widerlegen, die uns schon seit unserer Geburt begleiten, uns anerzogen werden und tiefer in uns stecken, als wir manchmal glauben wollen. Sei es die Identifizierung mit der Lohnarbeit, geschlechtsspezifische Rollen und damit einhergehende Erwartungen, das Gefühl der Wertlosigkeit, wenn man in der Schule oder in der Arbeit negativ bewertet wird oder erst gar keinen Job findet.
Eine Veränderung unseres Blickwinkels auf den kapitalistischen Verwertungszwang, auf den kapitalistischen Wettbewerbsstaat und seine Politik, kann uns neue politische Perspektiven und eine neue Sicht auf die (wahnsinnige) Normalität unseres Alltags ermöglichen.
Der Staat wird uns nicht retten, denn der Staat ist Teil des Elends. Und er setzt seine Gewalt ein, durch Gesetze, Aufrüstung und Einschüchterung, wenn seine Legitimität in krisenhaften Zeiten angezweifelt wird. Unsere Möglichkeiten liegen darin, ein Bewusstsein für die uns umgebenden Ideologien zu entwickeln, uns selbst und unabhängig von staatlicher Politik zu organisieren, gesellschaftliche Spaltungen zu benennen und zu bekämpfen. Die Werte dieser unmenschlichen Leistungsgesellschaft sind so gut antrainiert, dass es schwer fällt, sich eine andere Praxis, geschweige denn die Möglichkeit einer anderen Gesellschaft, überhaupt vorzustellen.
Mit der Kampagne “Raus aus der Ohnmacht!” wollen wir als Plattform Radikale Linke dazu aufrufen, nicht trotz, sondern gerade aufgrund der Defensivposition, in der Antikapitalist*innen sich befinden, in die Offensive zu gehen. So notwendig die Abwehrkämpfe gegen weitere Verschlechterungen sind, so notwendig ist es, die Perspektive nicht aus den Augen zu verlieren: Wenn wir aus dem Hamsterrad der Ohnmacht, der Abwehrkämpfe, der Vereinzelung und Marginalisierung ausbrechen wollen, brauchen wir eine breite, starke und handlungsfähige Radikale Linke!
Die Kampagne soll dazu mobilisieren, Aktionen und Veranstaltungen gegen den Kapitalismus, den Staat und seine autoritäre Formierung zu organisieren. Gleichzeitig stellt dieser Aufruftext den Versuch einer Erklärung der aktuellen Entwicklungen dar. Nur wenn wir uns organisieren und unserer Kritik in Aktionen und Texten transparent und nachvollziehbar Ausdruck verleihen, sie für Menschen zugänglich machen und so als radikale Linke mehr werden, ist Veränderung denkbar!

Die Plattform Radikale Linke ist ein Zusammenschluss vieler linksradikaler Gruppen und Zusammenhänge aus ganz Österreich.

Wir haben heute früh die Wiener Ringstraße mit einem Zaun blockiert und den Berufsverkehr zum Stillstand gebracht um auf die verherenden Folgen der geplanten Asyl-Notverordnung aufmerksam zu machen. Denn mit der Notverordnung wird faktisch das Menschrecht auf Asyl abgeschafft. Flüchtende sollen beispielsweise direkt an der Grenze abgewiesen werden. Die Regierung beruft sich deshalb auf Notstands-Gesetze und begründet das alles mit einer vermeintlichen Gefährdung „der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit“. Dass einer der reichsten Staaten dieser Erde es verwaltungstechnisch und finanziell nicht aufbringen kann, Asylverfahren durchzuführen und Asylberechtigte menschenwürdig zu versorgen, ist gewolltes Elend.

Der österreichische Staat versucht zunehmenden autoritär zu agieren, um seine eigene Handlungsunfähigkeit angesichts der globalen Verwerfungen im Zuge der kapitalistischen Krise, zu verdecken. Die Aktion heute gilt als Startschuss für eine Kampagen der Plattform Radikalen Linken gegen die autoritäre Formierung der Gesellschaft.

Erste Presseberichte:

Flyer “How to stop your own deportation”:

nodeport_arabic
nodeport_bosnian/croatian/serbian
nodeport_english
nodeport_farsi
nodeport_french
nodeport_russian
nodeport_turkish

Flyer “Steh auf gegen Abschiebungen in deinem Flug”:

passagier*innen_german
passengers_english

Flyer für Flugbegleiter*innen / Pilot*innen:

flugbegleiterin_german

Als am Donnerstag, den 27. August 2015, dutzende Menschen tot in einem LKW auf der Ostautobahn im österreichischen Burgenland entdeckt wurden, war das Entsetzen groß. Mehr als 70 Flüchtende erstickten bei dem Versuch von Ungarn über die Grenze nach Österreich zu gelangen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zeigte sich schockiert über die Resultate ihres eigenen politischen Handelns und sprach von einem „dunklen Tag“ der „uns alle betroffen macht“, um im selben Atemzug eine „Aktion scharf gegen Schlepper“ anzukündigen. Das europäische Grenzregime, das Menschen auf der Flucht in lebensbedrohliche Situationen zwingt, hatte nun auch in Österreich einer großen Zuschauer_innenzahl seine mörderischen Konsequenzen offenbart. Währenddessen saßen tausende Refugees am Hauptbahnhof in Budapest fest, da die ungarische Polizei ihnen die Weiterreise verwehrte. Ohne ausreichende Versorgung und teilweise Angriffen von Nazis und/oder Polizei ausgesetzt beschlossen sie, sich zu Fuß auf einen Marsch Richtung österreichische Grenze aufzumachen und forderten dadurch das Migrationsregime erneut heraus. Mit Erfolg! Der selbstorganisierte Protest und die anhaltenden Kämpfe von Flüchtenden brachten in weiterer Folge das Dublin-System ins Wanken. Seitdem begann sich das einzupendeln, was uns bis heute bekannt ist: Die Regierungen fast aller europäischen Staaten diskutieren über Grenzschließungen, den Ausbau der Festung Europa und die „Sicherung der Außengrenzen“, über Asylrechtsverschärfungen und Kapazitätsgrenzen.

In der österreichischen Zivilgesellschaft entwickelte sich spätestens nach jenem 27. August ein Problembewusstsein. Während einer antirassistischen Demonstration am 31. Oktober in Wien kamen die ersten Refugees mit einem ganzen Zug von Ungarn am Westbahnhof an. Als an diesem Tag über 25.000 Menschen in Wien auf die Straße gingen, baute gleichzeitig ein weiterer Teil der Zivilgesellschaft spontane und lang anhaltende Solidaritätsstrukturen auf, um die fehlende staatliche Unterstützung mit dem Notwendigsten auszugleichen. Konvois mit bis zu hundert Autos brachen in den Folgetagen aus Wien und anderen Städten auf, um Fluchthilfe zu leisten und damit die Festung Europa politisch anzugreifen. Am 3. Oktober fand in Wien erneut eine antirassistische Großdemonstration statt, der sich über 50.000 Menschen anschlossen. Als Gruppe organisierten wir einen antinationalen Block, an dem sich Hunderte beteiligten, um auf der Demo zum Ausdruck zu bringen, dass humanitäre Hilfe zu leisten zu wenig ist und Antirassismus und die Kritik an der Festung Europa auch immer eine Kritik an nationalstaatlicher Ausgrenzung sein muss. So hieß es in unserem Aufruf: „wie es keine Atomkraftwerke ohne Atommüll geben kann, keinen Kapitalismus ohne Krise, kann es auch keinen Nationalstaat geben, ohne die beständige gewaltsame Ausgrenzung von Nicht-Staatsangehörigen.“ [1] Nach der Demo fand ein Konzert mit 100.000 Menschen unter dem Motto „Voices for Refugees“ auf dem Wiener Heldenplatz statt. Aufgrund der großen Teilnehmer_innenzahl und am Charakter der Veranstaltung kurz vor der Wien-Wahl konnte man sich als aufmerksame_r Beobachter_in der österreichischen Verhältnisse schon ausmalen wohin das Ganze führt: Einem großen Teil der Konzertbesucher_innen ging es wohl nicht vordergründig um Geflüchtete. Im besten Fall ging es jenen darum, ihr Gewissen zu beruhigen oder einfach die Toten Hosen zu sehen, im schlechtesten Fall ging es um nationale Identifikation, um die Inszenierung als das „bessere Österreich“. So verwundert es kaum, dass die Veranstalter_innen den Bundespräsidenten zur Ansprache baten. Es handelte sich um eine zutiefst unpolitische Veranstaltung, deren politische Momente sich eher an nationalen Identitäsbegehren, anstatt an einer Kritik an diesen entfaltete.

Am Wochenende darauf zeigte sich, dass diese unkritische Symbolpolitik nichts an den realen Kräfteverhältnissen ändern kann. Die rechtsextreme FPÖ gewann in Wien ordentlich dazu, nahezu jede_r dritte Wähler_in hat in Wien einer völkisch-nationalistischen Partei mit Verbindungen zum Neonazismus ihre Stimme gegeben. In Stadtteilen wie Simmering, traditionelle Arbeiter_innenviertel, wurde die FPÖ erstmals stärkste Kraft. Auch in Oberösterreich bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen hatte die FPÖ starke Zuwächse zu verzeichnen und stellt seitdem gemeinsam mit der konservativen ÖVP eine rein männliche (2015!) Landesregierung.

Der Sommer des Helfens wurde nun auch offiziell vom nationalen Schweineherbst abgelöst. Die gesellschaftspolitische Debatte um Flucht und Migration wurde zunehmend von rechts dominiert und der in der österreichischen Gesellschaft schlummernde Rassismus brach sich zunehmend Bahn. Während die FPÖ bislang die autoritären Gebärden der von Abstiegsängsten und rassistischen Untergangsszenarien gebeutelten Österreicher_innen für ihren parlamentarischen Erfolg kanalisieren konnte, artikulierte sich dieser Rassismus nun auch zunehmend auf der Straße. In Spielfeld, jenem oststeirischen Ort an der österreichisch-slowenischen Grenze, der den Rechten zum Symbolbild des „Asylchaos“ geworden zu sein scheint, fanden nahezu im Wochentakt rassistische Aufmärsche gegen Geflüchtete mit bis zu 600 Teilnehmenden statt. Am 15. November mobilisierte erstmals die „Identitäre Bewegung“ nach Spielfeld, um im Zusammenspiel mit Neonazis und „besorgten Bürgern“ ihre Menschenverachtung auf die Straße zu tragen und Flüchtenden ihr „NO WAY“-Banner entgegen zu halten. Wir beteiligten uns maßgeblich am Bündnis „Kein Spielfeld für Nazis“, welches Gegenproteste organisierte. [2] Aus Wien reisten vier Busse zur Demo an, mittels Fingertaktik und zivilem Ungehorsam wurden Polizeiketten durchflossen und an zwei Punkten die Aufmarschroute blockiert. Trotz dieser Blockaden, welche teilweise von Neonazis gewaltsam durchbrochen wurden, konnte der Aufmarsch zwar stattfinden, wurde aber empfindlich gestört und verzögert. Im Anschluss gingen noch 80 Autos der angereisten Rechtsextremen kaputt.

Vereinzelt fanden auch „Proteste“ gegen die Unterbringung von Geflüchteten statt. Es ist zu befürchten, dass diese Art von rassistischer Mobilmachung noch zunehmen könnte. Die österreichische Regierung hat ein Durchgriffsrecht beschlossen, um Unterkünfte in Gemeinden eröffnen zu können, auch wenn diese dem nicht zustimmen. Trotz der vereinzelten Versuche, auf der Straße eine außerparlamentarische rassistische Bewegung zu etablieren, bleibt der erfolgreichste Arm der völkisch-nationalistischen Rechten ohne Zweifel die FPÖ. Um deren gesellschaftlichen Erfolg zu erklären, macht es Sinn einen Blick auf die Entwicklungsgeschichte und den ideologischen Charakter dieser Partei zu werfen.

Die FPÖ zwischen Rechtsextremismus und Neonazismus [3]
Die Freiheitliche Partei Österreich (FPÖ) ging 1955 aus dem Verband der Unabhängigen (VdU) hervor, welcher sich als Vertreter der ehemaligen NSDAP-Mitglieder sah und seine Reihen mit diesen füllte. Es war ein Sammelbecken von Altnazis, Deutschnationalen und wenigen Nationalliberalen. Letztere wurden mit der Auflösung des VdU und der Umgestaltung zur FPÖ aus der Partei gedrängt, um diese auf einen strikt deutsch-völkischen Kurs zu bringen. Die weitere Geschichte der FPÖ kann als stetiger Kampf zwischen dem deutsch-völkischen und dem nationalliberalen Flügel innerhalb der Partei beschrieben werden. Dieser ständigen Konflikts erschwert die Darstellung der ideologischen Ausrichtung der FPÖ; Diese wirkt oft widersprüchlich und kann auch wegen der Länge des Textes nicht vollständig aufgeschlüsselt werden.

Als erster Bundesparteiobmann wurde Anton Reinthaller gewählt. Dieser war seit 1930 Mitglied der NSDAP, Angehöriger der Regierung um Seyß-Inquart und später SS-Brigardeführer. In seiner Antrittsrede betonte er in deutschnationaler Manier, „der nationale Gedanke bedeutet in seinem Wesen nichts anders als das Bekenntnis der Zugehörigkeit zum deutschen Volk.“ Reinthaller wurde nach seinem Tod 1958 von Friedrich Peter in seiner Position als Bundesparteiobmann beerbt. Auch dieser war ehemaliges Mitglied der SS und der Einsatzgruppe C zugeteilt, welche maßgeblich an Massenerschießungen beteiligt war. Die Liste von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern bzw. Wehrmachts-, SS-Angehörigen und anderen NS-Täter_innen, welche sich der FPÖ anschlossen könnte schier endlos weitergeführt werden. Doch schon diese beiden können gut als Beispiel dafür angeführt werden, dass in Österreich nach 1945 keine Aufarbeitung, geschweige denn ein vollständiger Bruch mit der nationalsozialistischen Vergangenheit erfolgte. Damit verbunden ist auch eine wenig bis gar nicht erfolgte Aufarbeitung mit der Epoche vor dem Nationalsozialismus in Österreich – des sogenannten Austrofaschismus. Im Vordergrund steht dabei häufig die Betonung des eigen- und widerständigen Österreichs im Gegensatz zum nationalsozialistischen Deutschland. Dass unter dieser als Ständestaat verharmlosten Epoche nicht nur ein unterwürfiges Sozialpartnerschaftsdenken geschaffen wurde, welches Kapital, Arbeit und Staat – bis heute – unter dem nationalen Dach zu vereinen weiß, sondern auch der Weg für den Nationalsozialismus bereitet wurde, wird häufig vergessen.

Mit dem „Anschluss“ an das deutsche Reich wurden schließlich die Wünsche der „Volksdeutschen“ befriedigt. Sie durften endlich „heim ins Reich“ und so sahen auch prominente Sozialdemokrat_innen wie Karl Renner dem „Anschluss“ „mit freudigem Herzen“ entgegen. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft und dem Verbot, sich wieder an das „deutsche Vaterland“ anzuschließen, stand die Politik wieder vor dem leidigen Thema Nationalbewusstsein, da die Gründung der Republik – wie schon 1918 – gegen den Willen der „Volksgenossen“ stattfand. Es wurde versucht, einen Österreich-Patriotismus durch Abgrenzung zum Nationalsozialismus und Überbetonung des österreichischen Widerstands aufzubauen. Dies spielte bei der Etablierung des Opfermythos eine wichtige Rolle, welcher Österreich als erstes Opfer des Nationalsozialismus darstellt. Das bot der nationalen Identität wieder einen positiven Bezugsrahmen und machte es möglich, sich mit der österreichischen Nation zu identifizieren, ohne sich den Verbrechen des Nationalsozialismus stellen zu müssen.

War die FPÖ in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens eine Kleinpartei und bewegte sich zwischen 5 und 10 Prozent der Wähler_innenstimmen, erlebte sie mit dem Aufstieg Jörg Haiders und einem damit verbundenen Kurswechsel einen stetigen Aufschwung. Haider erlangte in einer Kampfabstimmung 1986 gegen den national-liberalen Norbert Steger das Amt des Bundesparteiobmanns und brachte die Partei wieder auf einen völkisch-nationalistischen Kurs. Haider baute die FPÖ zu einer autoritären Führerpartei um und verlieh ihr eine ideologische und personelle Erweiterung. Der bis in die Mitte der 1990er verfolgte Deutschnationalismus erwies sich als nicht mehr breitentauglich und wurde von einem „aggressiven Österreichpatriotismus“ [4] abgelöst. Die FPÖ wurde zum Sammelbecken verschiedener ideologischer Strömungen, welche von neoliberal bis national-sozial reichten. Auch in der Familienpolitik wurden Änderungen vorgenommen. Die „österreichische Familie“ stellte schon immer einen zentralen Punkt in der Politik der FPÖ dar. Wurde aber im Parteibuch unter Norbert Steger noch darauf hingewiesen, dass man gegen die Diskriminierung „anderer, frei gewählter Formen des Zusammenlebens“ sei, so lehnte die FPÖ seit Jörg Haider gleichgeschlechtliche Partner_innenschaften dezidiert ab. Diese Fraktionierung innerhalb der Partei führte zu einer ersten Spaltung. Der liberalere Flügel (fünf Abgeordnete) der FPÖ trat 1993 nach dem Erstarken des völkischen Flügels aus der Partei aus und bildeten das Liberale Forum (LIF).

Jörg Haider sorgte mit seinen Aussagen zum Nationalsozialismus immer wieder für Aufsehen. Unter anderem verwies er in einer Rede im Kärntner Landtag darauf, dass das Dritte Reich eine „ordentliche Beschäftigungspolitik“ gehabt hätte. In einem Interview mit der Presse bezeichnete er die FPÖ als „Schädlingsbekämpfungsmittel für die Demokratie“, welche in Österreich von „Schwarzen und Rothäuten, die nicht – wie üblich – im Reservat leben“ [5] regiert würde. Mit solchen Aussagen und dem zuvor erwähnten Kurswechsel gelang es bei der Nationalratswahl 1999 zur zweitstärksten Partei aufzusteigen und an der Regierungsbildung beteiligt zu werden. Der Koalition von ÖVP und FPÖ trat ein breiter Widerstand entgegen. Einerseits auf nationaler Ebene in Form von wöchentlich abgehaltenen Donnerstagsdemonstrationen und andererseits auf internationaler in Form von EU-Sanktionen. Dies verhinderte schließlich eine aktive Regierungsbeteiligung von Jörg Haider und die FPÖ musste die Regierungsreihen mit unbekannteren Gesichtern des moderateren Flügels füllen. Der Konflikt zwischen den Haideranhänger_innen und den FPÖ-Regierungsmitgliedern führte 2002 zur Einberufung eines außerordentlichen Parteitags. In Knittelfeld erfuhr die FPÖ einen weiteren Rechtsruck, was zu Rücktritten und schließlich zu Neuwahlen führte. Bei diesen verlor die FPÖ beinahe zwei Drittel ihrer Wähler_innenstimmen, wurde aber trotzdem an der neuen Regierung beteiligt.

2005 kam es zum endgültigen Bruch. Die immer autoritär-neoliberalere Politik von Jörg Haider und seiner „Buberlpartie“* verlor an Rückhalt der völkisch-nationalistischen Parteibasis. Dies führte schließlich zum Austritt Haiders aus der FPÖ, der mit einem kleinen Teil seiner Anhänger_innenschaft das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) gründete, welches aber – außer in Haiders Kärntner Wahlheimat – erfolglos blieb. Nach dem „tragischen“ Tod der Führerfigur 2008 kann das BZÖ endgültig als unwichtig eingeschätzt werden. Heinz-Christian Strache wurde 2005 zum neuen Parteiobmann der FPÖ gewählt und setzte auf eine strikte Oppositionsstrategie. Damit erreichte die Partei bei den folgenden Wahlen große Erfolge.

Heribert Schiedel, Mitarbeiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW), meint, dass es seit 2005 zu einer Re-Ideologisierung der FPÖ kam. Die heutige FPÖ ist ein Sammelbecken von rechtsextremen Ideologien mit guten Verbindungen zum Neonazismus. Dabei nehmen die seit 2005 innerhalb der Partei wiedererstarkten Burschenschaften eine wichtige Schanierfunktion ein, womit ein offeneres Bekenntnis der FPÖ zum völkischen Deutschnationalismus verbunden ist. So wird beispielsweise bei Angelobungen von allen Abgeordneten der FPÖ die blaue Kornblume (Zeichen des Deutschvölkischen und Symbol für verbotene Nazis in der Zwischenkriegszeit) getragen und sich zur „deutschen Kulturgemeinschaft“ [6] bekannt.

Die Verbindungen zum Neonazismus können gut an der Diskussion um das Verbotsgesetz, welches jede Wiederbetätigung im Sinne des Nationalsozialismus verbietet, aufgezeigt werden. 2006 forderte die FPÖ eine (teilweise) Abschaffung dieses Verfassungsgesetzes unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit. Damit werden die NS-Propaganda und Leugnung von NS-Verbrechen als legitime Meinungen verharmlost. In öffentlichen Debatten distanziert sich die FPÖ zwar vom Nationalsozialismus, doch immer verbunden mit dessen Relativierung und/oder Selbst-Viktimisierung. So werden häufig die NS-Verbrechen mit den angeblichen „Kriegsverbrechen“ von Partisan_innen oder dem „Bombenterror“ [7] der Alliierten aufgerechnet. Auch beim Thema Wehrmachtsdeserteure wird eindeutig Stellung bezogen. Für Strache sind diese „Täter“, die „Unschuldige am Gewissen“ [8] hätten.

Ein weiteres Merkmal der FPÖ ist ihr (struktureller) Antisemitismus. Dieser äußert sich vor allem in ihren Krisenanalysen und in einer ressentimentgeladenen Kritik an den Oberflächenerscheinungen des Kapitalismus, kann sich aber nach Auschwitz nur mehr in codierter Form äußern. Dabei werden keine sozioökonomischen Verhältnisse kritisiert, sondern die Schuld wird einer unmoralischen kleinen Personengruppe zugewiesen. „Internationale Spekulanten“ [9] , „raffgierige Bankmanager“ [10] und „Heuschreckenunternehmen“ [11] hätten die Krise verschuldet und werden zum Feindbild erklärt. So verwundert es auch nicht, dass auch im Nahostkonflikt eine klare Stellung bezogen wird. Der „Zionistenstaat“ Israel führe einen „Vernichtungsfeldzug gegen die Palästinenser“, welche im „Freiluftkonzentrationslager Gazastreifen“ [12] untergebracht werden würden. Auch mit einem „FPÖ-Veto gegen [einen] EU-Beitritt von Türkei und Israel“ – wobei letzterer (bekanntlich) nie Thema war – wurde Werbung gemacht. Die neuerdings ins Feld geführte Israelfreundlichkeit der FPÖ dient demgegenüber rassistischer Instrumentalisierung. Antisemitismus wird dann kritisiert, wenn es der rassistischen Agitation gegen Muslime dient, welche ihn von außen in die österreichische Gesellschaft „importieren“ würden. Diese Strategie ist dem Umstand geschuldet, dass offener Antisemitismus im Vergleich zu antimuslimischen Rassismus tabuisiert ist und soll den Antisemitismus als vermeintlich „fremdes“ Phänomen externalisieren. Eine klare Anti-Globalisierungspolitik stellt einen weiteren ideologischen Bezugspunkt der FPÖ dar. So wurde unter anderem mit dem Slogan „sozial geht nur national“ geworben und das „Europa der Vaterländer“ als „Bollwerk gegen die Globalisierung“ [13] bezeichnet.

Der Bezugspunkt eines neuen Rassismus hat sich von „Rasse“ hin zur „Kultur“ verschoben. Dem homogenisierten Eigenen ist dabei immer der Vorzug zu geben. Die FPÖ sieht sich dabei zur Bewahrung der „eigenen“ Kultur gegen das „rückständige“ Andere verpflichtet. So wird – zum Teil auch jeder kapitalistischen Verwertungslogik widersprechend – gegen Migrant_innen mobilisiert. Vor allem muslimische Migrant_innen sehen sich mit massiver Negativpropaganda konfrontiert. Der Islam sei – laut Johann Gudenus – nicht integrierbar und „solche Leute haben sich eine Einbürgerung nicht verdient“ [14]. Dabei wird häufig auch auf NS-Vokabular zurückgegriffen. Zum Beispiel sprach selbiger von einer stattfindenden „Umvolkung“, welche zu verhindern sei. Auch das Wort „N****“ ist kein Tabu innerhalb der FPÖ, Susanne Winter (mittlerweile wegen offenem Antisemitismus aus der Partei ausgeschlossen) etwa sieht dies nicht als ein Schimpfwort, sondern „als Bezeichnung einer Menschenrasse“ [15].

Die FPÖ ist als Männerpartei auch als antifeministisch und homophob einzustufen. Um das „Eigene“ zu schützen, muss dieses auch gefördert werden. Somit stellt die „österreichische Kleinfamilie“ – da nur diese Kinderreichtum gewährleisten könne – den positiven Bezugsrahmen der freiheitlichen Familienpolitik dar. Dass dabei die Geschlechterrollen klar verteilt sind, versteht sich von selbst. Die FPÖ ist nicht nur Abbild einer patriarchalen Gesellschaft, sondern zielt auf noch striktere Geschlechterrollen ab. Heinz-Christian Strache und Andreas Mölzer sprechen in Interviews gerne von einer „Herrschaft des Feminismus“ und einer „Lobby der Schwulen und Lesben“ [16]. Weiters wird Homosexualität als Krankheit oder als „Kultur des Todes“ [17] bezeichnet.

Anhand der Rechtsextremismustheorie von Willibald Holzer [18] und aufgrund dieser Merkmale ist die FPÖ eindeutig als rechtsextrem zu bezeichnen. Nach dieser Theorie ist der Begriff Rechtsextremismus nicht unbedingt mit dessen Ablehnung der parlamentarischen Demokratie verbunden. Rechtsextremismus wird hierbei vor allem durch die Behauptung einer „natürlichen“ Ungleichheit, verbunden mit der Trias Gemeinschaftsdünkel, Autoritarismus und Rassismus/Antisemitismus bestimmt. Die Verwendung des Begriffes rechtspopulistisch wäre eine klare Verharmlosung dieser menschenverachtenden Politik. Bestimmt man aber den Rechtspopulismusbegriff als politischen Stil und den Rechtextremismus als inhaltlich-ideologisch, so kann eine Partei rechtspopulistisch und rechtsextrem zugleich agieren. Gerade in letzter Zeit versucht sich die FPÖ staatsmännischer zu geben und die Parteispitze versucht in öffentlichen Aussagen und Debatten moderater aufzutreten. Diese Strategie sollte aber keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass der ideologische Kern der FPÖ weiterhin ein völkisch-rechtsextremer ist. Auch bedeutet das Arrangement der FPÖ mit der Demokratie als Form keinesfalls, dass die FPÖ eine demokratische Partei ist. Vielmehr artikuliert sich der modernisierte Rechtsextremismus nicht mehr gegen die sondern in der Demokratie. Er will die Demokratie nicht abschaffen, aber im Sinne von Ethnokratie umdeuten. Diese Umdeutungsbestrebungen stehen im Widerspruch zu den aufklärerischen Ideen der Gleichheit des Individuums, da in dieser „identitären“ Demokratie die Gemeinschaft, das Volk, als alleiniger Träger von Rechten über den Einzelnen gestellt wird. [19] Die Charakterisierung der FPÖ als rechtsextrem bedeutet jedoch nicht, dass ihre Wähler_innen, ja nicht einmal ihre Funktionär_innen und Mitglieder, allesamt Rechtsextreme wären. Dennoch muss der idelologische Charakter der Partei ernst genommen und die inneren Widersprüche, welche wie oben ausgeführt auch immer wieder zu Brüchen innerhalb der Partei führen, in die Kritik miteinbezogen werden. Diese Widersprüchlichkeit macht sich auch in der Wirtschaftspolitik der FPÖ bemerkbar, in der ein fetischisierter und ressentimentgeladener „Antikapitalismus“ mit neoliberalen Programmatiken kollidiert. Die FPÖ als „neoliberale“ Partei zu kritisieren, ist eine falsche Vereindeutigung und dient der linken Selbstvergewisserung, dass die Thematisierung der „soziale Frage“ stets das alleinige Terrain der Linken wäre.

Dass mit solchen Inhalten in einem postnazistischen Land so erfolgreich Politik gemacht werden kann und mit der FPÖ Koalitionen eingegangen werden, ist bezeichnend. Es zeigt abermals auf, dass solche Positionen gesellschaftsfähig sind und nicht im luftleeren Raum herumirren. Das Problem heißt daher auch nicht FPÖ, sondern Österreich!

Was tun?
Die FPÖ ist keine rechtsextreme Randgruppe, der man mit den herkömmlichen antifaschistischen Aktionen beikommen könnte. Natürlich sind Gegenmobilisierungen zu ihren strategisch wichtigsten Events sinnvoll, ihre Wahlkämpfe könnten auch noch stärker und kreativer begleitet werden. Dennoch setzt innerhalb der antifaschistischen Linken eine Mischung aus Frustration und Gewöhnung ein. Frustration, da der FPÖ kein aktiver Schaden zugefügt werden kann und wir zu wenige sind. Gewöhnung, weil es den Anschein hat, dass rechtsextreme Aussagen zum Alltag geworden sind und keinen großen Skandal mehr hervorrufen. Die Politik greift die Debatten der Rechtsextremen auf, äußert Verständnis für die „Ängste der Bürger“. Ganz so, als sei es eine Naturnotwendigkeit, dass bei ein paar tausend Flüchtlingen der österreichischen Bevölkerung Angst und Bange wird. Viele Forderungen der FPÖ wurden und werden von den Regierungsparteien umgesetzt. Angesichts der österreichischen Zustände steht die antifaschistische Linke diesen Entwicklungen fast schon hilflos gegenüber. Dabei wäre der Kampf gegen die FPÖ gerade ein Kampf gegen jene österreichischen Zustände, in der autoritäre Einstellungen weit verbreitet sind. Und das macht die Sache auch so schwierig.

Auch in Bezug auf die aktuellen Debatten um Grenzzäune und Asylrechtsverschärfungen bleibt die radikale Linke merkwürdig stumm. Der Großteil des linken Protests schöpft sich in Forderungen und Petitionen, die auf den Staat gerichtet sind. Genau hier zeigt sich erneut die Schwäche und Ohnmacht der radikalen Linken: Anstatt zu versuchen, den zivilgesellschaftlichen Protest zu radikalisieren und die inneren Widersprüche aufzuzeigen, wird sich mit der eigenen Ohnmacht und Hilflosigkeit identifiziert und der Staat, dessen Grenzregime für dieses Schlamassel erst verantwortlich ist, wird angerufen doch endlich zu handeln.

Die aktuellen Herausforderungen der radikalen Linken stellen sich für uns wie folgt da: Wie können antifaschistische und antirassistische Abwehrkämpfe besser und zielgerichteter geführt werden? Und – vor allem – wie kann es geschafft werden, über diese Abwehrkämpfe hinaus zu kommen? Und wie lassen sich diese Kämpfe transnational organisieren? Betrachtet man die aktuelle gesellschaftliche Situation, so erscheint eine rechte Konterrevolution nicht nur als eine Möglichkeit, sondern muss vielmehr als eine realistische Option betrachtet werden. Die Wahlerfolge der FPÖ in Österreich, des Front National in Frankreich oder der AfD in Deutschland – ganz zu schweigen von Ungarn, dessen völkisches Krisenmanagement große gesellschaftliche Bereiche durchdrungen hat – schaffen es, rechtsextreme Positionen in der Gesellschaft hegemonialer werden zu lassen. Die Grenze des Sagbaren wird immer weiter nach rechts verschoben. Europäische Faschist_innen basteln derweilen an der völkischen Neukonzeption Europas und wittern Morgenluft. Hier muss eine antifaschistische Linke neue Strategien entwickeln, wie man diesem gesellschaftlichen Rechtsruck begegnen kann. Die Beantwortung dieser Frage hängt unmittelbar mit der zweiten zusammen. Angesichts der Schwäche der radikalen Linken in Österreich müssen wir Aufbauarbeit leisten. Nach dem Aufbau einer handlungsfähigen radikalen Linken, einer langwierigen und leisen politischen Arbeit, müssen wir raus aus der Szene und rein in das Handgemenge der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Die radikale Linke muss wieder an den Alltagserfahrungen und Kämpfen ansetzten und dabei ein Angebot schaffen. Sie muss Kämpfe vernetzen und politisieren und sich dabei einer Arbeitsteilung untereinander bewusst werden.
Beispielsweise müsste es geschafft werden, Geflüchtete als politische Subjekte ernst zu nehmen und hier Verbindungslinien zwischen unseren Kämpfen um ein besseres Leben jenseits von nationalstaatlichen Grenzregimen und kapitalistischer Ausbeutung herzustellen.

Denjenigen, die es unter Einsatz ihres Lebens schaffen, die tödlichen Grenzen der Festung Europa zu überwinden, wird hier staatlich organisiert das Leben zur Hölle gemacht. Sie werden zur Untätigkeit verdammt und in die gesellschaftliche Isolation gedrängt, sind dem alltäglichen Rassismus ausgesetzt und müssen in unterbezahlten prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Hier gibt es genug Anknüpfungspunkte, um keine Stellvertreter_innenpolitik zu führen, sondern unsere gemeinsamen Interessen zu verbinden und in unseren Kämpfen zu bündeln. Eine emanzipatorische Linke muss diese Debatte weiterführen und Handlungsperspektiven eröffnen. Wir laden alle dazu ein, sich gemeinsam mit uns diesen Herausforderungen zu stellen! Gelegenheiten wird es dazu genug geben.

Begriffsbestimmung Rechtsextremismus
Wir sind uns der Problematik, die mit dem Begriff des Rechtsextremismus zusammenhängt, bewusst. Wir beziehen uns hier auf den Rechtsextremismusbegriff, den das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) verwendet und der von Willibald I. Holzer ausformuliert wurde (Willibald I. Holzer: Rechtsextremismus. Konturen, Definitionsmerkmale und Erklärungsansätze. In: DÖW (Hrsg.): Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus. Wien, 1993). Holzer verwendet den Begriff nicht im Sinne einer totalitarismustheoretischen Gegenüberstellung von Rechts- und Linksextremismus, sondern als Terminus, in dem sich unterschiedliche Definitionsmerkmale bzw. Ideologeme zu einem Idealtypus (Max Weber) verdichten. Rechtsextreme Einstellungen werden so nicht als das ganz andere der „guten“ Mitte begriffen, sondern als extreme Steigerungsform bürgerlicher Wertevorstellungen. Aber warum konnte sich in Österreich ein ganz anderer Begriff des Rechtsextremismus durchsetzen als in Deutschland? Eine Differenzierung in „rechtsextremistisch“ oder „linksextremistisch“ wird in Deutschland entlang des Verhältnisses zur FDGO bestimmt. In Österreich gibt es aber in der Verfassung eine explizite Antinazigesetzgebung, nämlich die gegen NS-Wiederbetätigung (Verbotsgesetzt). Gleiches gibt es nicht für links. Diese Gesetzgebung führte aber auch dazu, dass Nazi nur genannt werden darf, wer gegen das Verbotsgesetz verstößt. Wer nicht dementsprechend verurteilt wird, da er eine strafbare Handlung gesetzt hat und dennoch Nazi genannt wurde, kann Anzeige wegen Verleumdung stellen, was entsprechend häufig geschah. Die Folge daraus war, dass ein Ersatzbegriff für (noch) nicht verurteilte Nazis entwickelt wurde, was schließlich zur inhaltlichen Ausdifferenzierung des Rechtsextremismusbegriff führte.

* Der Begriff „Buberlpartie“ spielt mit homoerotischen Anklängen auf eine (fast) reine Männergruppe an. Diese kamen aus dem direkten Umfeld von Haider und waren keiner Burschenschaft angehörig – hatten also keine direkte Verbindung zum Deutschnationalismus.

[1] http://autonome-antifa.net/index.php/20 … ylpolitik/

[2] http://keinspielfeld.noblogs.org/

[3] vgl. Heribert Schiedel (2007): Der rechte Rand.

[4] Hubert Stickinger, Jörg Haider; In: Anton Pelinka u.a., Kreisky – Haider. Bruchlinien österreichischer Identität (2008)

[5] J. Haider im Interview mit Die Presse (22.11.1989)

[6] Parteiprogramm der FPÖ (2005)

[7] H.C. Strache im Interview mit den Salzburger Nachrichten (26.11.2004)

[8] H.C. Strache im Interview mit der Austria Presse Agentur (APA) (2009)

[9] Parteiprogramm der FPÖ (2005)

[10] H. Vilimsky in einer APA-OTS (15.4.2009)

[11] H. Vilimsky in einer APA-OTS (2.5.2008)

[12] Heinz Thomann in Zur Zeit (16/2009)

[13] A. Mölzer in einer APA-OTS (4.4.2008)

[14] J. Gudenus im Interview mit dem Standard (25.8.2010)

[15] S. Winter im Interview mit dem Falter Steiermark (5/2007)

[16] A. Mölzer, Europa 2084. Orwell lässt grüßen – Kasandrarufe – der „worst case“ (2009)

[17] K. Klement im Interview mit profil (23.6.2008)

[18] Willibald Holzinger, Rechtextremismus. Konturen, Definitionsmerkmale, und Erklärungsansätze, In: Handbuch des österreichischen Widerstands (1993)

[19] Heribert Schiedel (2014): „National und liberal verträgt sich nicht“. Zum rechtsextremen Charakter der FPÖ. In: Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit (FIPU): Rechtsextremismus. Entwicklungen und Analysen – Band 1

zur Kampagnenseite

Am 11. Juni wollen Neofaschist*innen aus ganz Europa in Wien eine Demonstration abhalten. In ihren Augen steht Österreich auf einem Scheideweg: entweder arbeiten „Multikultis” und „Gutmenschen” weiter an der „Zersetzung des Volkskörpers” oder es kommt zu einer „patriotischen Revolution” nach dem Vorbild Ungarns. Neben dem Rechtsruck in verschieden europäischen Ländern wie Ungarn oder Polen fühlen sie sich auch durch das Wahlergebnis der österreichischen Bundespräsidentschaft in ihrer wahnhaften Ideologie bestärkt. Der Aufmarsch in Wien ist für die Neofaschist*innen aus Europa eine symbolische Machtdemonstration. Grund genug für uns als Antifaschist*innen diesen Versuch eine praktische Abfuhr zu erteilen und den Aufmarsch der „Identitären” zu verhindern!

Mit diesem Text wollen wir einerseits aufzeigen, dass dem völkischen Weltbild der „Identitären” nicht nur ein Rassismus und autoritärer Nationalismus innewohnt (wie schon an anderer Stelle ausführlich dargestellt wurde), sondern auch ein massiver Sexismus und Antifeminismus. Andererseits wollen wir einen Blick auf die sicherheitspolitische Debatte um „No-Go Areas” und die Kulturalisierung sozialer Konflikte werfen, die derzeit die mediale Berichterstattung in Österreich beherrscht und damit rechtsextremen Gruppen eine Steilvorlage für ihre Propaganda liefert.

Völkischer Krieg um die Gebärmütter – Gegen Sexismus im Alltag und im Staat!

Seit den massiven sexualisierten Übergriffen in der Silvesternacht in Köln, versuchen sich Rechte als “Frauenschützer” zu inszenieren. Auffallend hierbei ist dass diejenigen, die nun am lautesten nach dem Schutz für Frauen schreien, Gewalt gegen Frauen* ignorieren, wenn sie diese nicht ethnisieren und “Nordafrikanern und Arabern” zuschieben können. Die Thematisierung von Sexismus und patriarchalen Strukturen dient hier – auch dann wenn der Antisemitismus unter Migrant*innen zum Thema wird – der Projektion nach Außen, um sich selbst davon rein zu waschen. Oftmals wehren sich eben die, die nun die „Beschützer“ von Frauen geben, entschieden gegen deren grundlegensten bürgerliche Rechte. Dazu zählen das Recht über den eigenen Körper zu bestimmen oder etwa das Recht auf gleiche Entlohnung. Der Schutz für Frauen  wird darüber hinaus unter das völkischen Primat gestellt: nur „österreichische” oder „europäische” Frauen sollen diesen Schutz genießen. Der Rest erscheint im völkischen Weltbild wiederum als Bedrohung der eigenen Volksgemeinschaft, was sich auch im Diskurs der „türkischen Gebärmaschinen” sichtbar macht. Die Antwort darauf ist eine völkische „Familienpolitik”, in der Frauen* wiederum als Gebärmaschinen wahrgenommen werden. Ihr Körper wird darauf reduziert den „Ethnozid” durch möglichst viele „eigene” Kinder aufzuhalten. Frauen* erscheinen als wehrlose Objekte, welche von Fremden bedroht werden. Dieses  Ressentiment ist stark sexuell aufgeladen. Die Reinheit des Bluts des „Volkskörpers” ist direkt mit Sexualität und deren Kontrolle verbunden, da sich über sie entscheidet, wer Teil der Gemeinschaft wird und wer nicht. Folglich liegt ein Hauptaugenmerk auf der Kontrolle der weiblichen Sexualität der In-group und der männlichen Sexualität der Out-group. Letztere wird als übertrieben triebhaft imaginiert, also als besonders bedrohlich. Bei der Sexualität der Frauen* der In-group, wird nur Heterosexualität als vollwertig erachtet, kann doch auch nur so der „rassisch reine” Nachwuchs sichergestellt werden.

Hier trifft sich die faschistische Sorge um die als weiblich gedachte Gebärfähigkeit der völkischen Frau mit den Interessen staatlicher Bevölkerungspolitik. Das staatliche bevölkerungspolitische Interesse, Kontrolle über Quantität sowie Qualität der Gesamtbevölkerung zu erlangen, um die „optimale” Reproduktion der nationalen Gemeinschaft zu sichern, bedient sich einer breiten Palette an patriarchalen Regulierungs- und Disziplinartechniken. Das bekannteste davon ist wohl das Verbot von Abtreibungen, welches immer noch im österreichischen Strafgesetzbuch steht. Die faschistische und staatliche Disziplinierung der Frauen*körper weist hier bloß einen graduellen, kleinen prinzipiellen Unterschied auf. Während völkische Nationalist*innen die Frage nach Bevölkerungswachstum rassistisch beantworten, ist für Regierungsstellen „gemanagte” Migration auch eine Option. Der subjektlosen Herrschaft des Patriarchats, welche sich in der bürgerlichen Gesellschaft herausgebildet hat, stellt die extreme Rechte das Bild der „natürlichen Ordnung” eines patriarchalen, von persönlichen Abhängigkeitsverhältnissen durchzogenen, Familienmodells entgegen. Wenn sich diese gegen jede Emanzipation gerichtete Forderung gesellschaftlich durchsetzt, stellt das einen massiven Angriff auf erkämpfte Frauen*rechte dar.

Die große Mehrzahl an Frauen* bekommen jeden Tag auf der Straße, in der Uni, in der Arbeit, beim Fortgehen zu spüren was es heißt, als Frau erkannt zu werden. Sexismus und sexualisierte Gewalt sind weiterhin alltäglich. Die Städte für Frauen* und alle anderen, die im öffentlichen Raum von Gewalt durch Männerbanden bedroht sind, sicherer zu machen, heißt, dieser Gewalt überall, an jedem Tag im Jahr entgegenzutreten. Wer von der sexualisierten Gewalt an Silvester und am Praterstern redet, aber von männlicher Dominanz und Rassismus, von Homophobie und Transfeindlichkeit nichts hören will, ist kein Verbündeter im Kampf gegen die patriarchale Zurichtung der Gesellschaft. Betroffene von Sexismus brauchen echte Unterstützer*innen  und keine falschen Freunde. Von (Hetero) Sexismus Betroffene sind keine wehrlosen Objekte, sondern wehren sich, da sie es tagtäglich müssen!

Sexismus, Rassismus und Sicherheitspolitik – Gegen die Kulturalisierung des Sozialen!

Praterstern, Brunnenmarkt, U6, Drogen Hotspots, Eisenstangenmörder, Kriminalität – das sind nur einige Schlagwörter, die derzeit die mediale Berichterstattung über die „No-Go Areas” in der österreichischen Bundeshauptstadt dominieren. In die Debatte mischt sich ein rassistischer und chauvinistischer Sicherheitsdiskurs, der soziale Konflikte kulturalisiert. Obdachlose, Dealer, Suchtkranke und viele andere Menschen, die nicht ins angestrebte Stadtbild passen, werden hier vor allem als Bedrohung und potentielle Täter (nicht nur von sexualisierter Gewalt) wahrgenommen. Die Antwort ist dann nicht mehr solidarische Hilfeleistungen für Betroffene von sozialen Ausschluss (mit all den Folgen die dieser bewirkt), sondern mehr Polizei und Repression.

Kriminalität, also alle Praktiken und Verhaltensweisen die vom Staat kriminalisiert werden, wird zunehmend nicht mehr als ein soziales Phänomen angesehen sondern als ein moralisches. Kriminalität erscheint so als blinder Akt des Bösen von moralisch verkommenen Akteur*innen und wird auf diese Weise individualisiert. Dementsprechend geht es auch nicht um die Bekämpfung von Armut, Benachteiligung und Ausschluss, sondern um sicherheitspolitische Techniken der sozialen Kontrolle und Überwachung, des Strafens und Ausschließens. Dies korrespondiert mit dem neoliberalen Rückbau sozialer Sicherungssysteme, was einerseits zur Verschärfung sozialer Ungleichheit führt und andererseits zu einer Verunsicherung breiter Schichten. Dieser als unspezifischen Bedrohung wahrgenommen Entwicklung, wird wiederum mit einer sicherheitspolitischen Verwaltung des bestehenden Elends beantwortet. Benachteiligte erscheinen in dieser die Gesellschaft durchziehenden Perspektive nicht mehr als Mitmenschen, denen Solidarität und Unterstützung entgegengebracht werden sollte, sondern als potentielle Täter. Ganz zu Schweigen von den haarsträubenden Ressentiments die gegen Obdachlose, Arme und Suchtkranke gehegt werden.

Neben dieser Individualisierung von Kriminalität, die den Zusammenhang von Armut, Benachteiligung und Kriminalität übersieht, werden soziale Verhältnisse zunehmend kulturalisiert. In der mit der Kulturalisierung einhergehenden Naturalisierung und Verewigung sozialen Verhaltens – dem „wir” oder „die sind halt so” – liegt auch eine kapitalistische Funktion. Soziale Konflikte werden in kulturelle umgedeutet. Die als Kulturen gegenübergestellten und als solche „respektierten” gesellschaftlichen Widersprüche sind damit nicht mehr bekämpfbar, sondern werden als kulturelle Eigenheiten angesehen. Die Andersartigkeit von Menschen folgt nach dieser Logik dann nicht mehr aus deren sozialer Situation, sondern aus ihrem kulturellen Hintergrund.

Das ist auch der Angriffspunkt der extremen Rechten. Diese beschwören einen „Kampf der Kulturen” und nutzen jedes ihnen passende Ereignis um es rassistisch auszuschlachten. So fordern sie die Abschiebung „krimineller Ausländer” und erhalten für solche Positionen Applaus aus großen Teilen der Bevölkerung. Damit werden völkisch-rassistische Postionen und die dahinterstehenden und immer wieder in Parolen gepackte Forderung nach einer territorialen Zurückeroberung und gewaltsamen Vertreibung der Gemeinschaftsfremden, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Thematisierung der „Verbrechen der Anderen”, die durch ihre Doppelmoral besticht, hat in der extremen Rechten eine lange Tradition. Neben Projektion und Propaganda geht es hier auch um die Entlastung und die Reinwaschung des „Eigenen”. Es geht weniger um die Tat an sich und schon gar nicht um die Opfer, sondern um eine Instrumentalisierung von Vorfällen für völkisch-nationalistische Zwecke.

Never let the fascists have the streets – Für ein gutes Leben für alle!

Die Ausgeschlossenen und Marginalisierten sind aber auch nicht automatisch ein revolutionäres Subjekt, sondern oft genug selbst Träger*innen reaktionärer Ideologien (das hat nicht nur zuletzt die Bundespräsidentschaftswahl aufgezeigt). Die „objektiven Verlierer*innen” des Bestehenden müssen nicht automatisch das subjektive Interesse am Besseren haben. Im Supermarkt der reaktionären Ideologien gibt es verschiedene Angebote wie Islamismus, Nationalismus oder eben Rechtsextremismus, die miteinander konkurrieren. Doch diese sich angeblich so feindlich gegenüberstehenden Ideologien sind sich näher, als sie es von sich selber glauben möchten. Es geht um die autoritäre Befriedung gesellschaftlicher Widersprüche und um den Ausschluss derer, die nicht zum repressiven Kollektiv dazugezählt werden.

Einer linksradikale Perspektive, die über antifaschistische und anti-sexistische Abwehrkämpfe hinausweisen will, weil es mit der Emanzipation des Menschen von Herrschaft, Ohnmacht und Unterdrückung doch noch etwas werden soll, sollte sehr daran gelegen sein reaktionäre Ideologien in die Schranken zu weisen und Ideologiekritik in den Fokus der Analyse zu stellen. Denn auch wenn der Kapitalismus eine jeder Vernunft spottende Veranstaltung ist, welche die Menschen zutiefst entstellt und zurichtet, ist das keine Entschuldigung dafür reaktionäre Ideologien anzunehmen. Die Reflexion über diese unvernünftige Gesellschaftsordnung ist die Voraussetzung für die Überwindung der falschen Verhältnisse. In unseren kollektiven Kämpfen gegen Sexismus und Rassismus, gegen patriarchale Strukturen und rassistischen Ausschluss, werden Risse des herrschenden Konsens sichtbar, die es zu erweitern gilt. Denn ein gutes Leben für alle ist nur mit der Abschaffung des Kapitalismus und des Patriarchats zu haben.


In diesem Text werden verschiedene Formen verwendet, um Geschlechterverhältnisse sprachlich darzustellen. Wir verwenden /Frau/ bzw. /Mann/, wenn wir uns auf reaktionäre Verhältnisse beziehen, um deutlich zu machen, dass in eben dieser Logik Geschlecht stets binär und biologistisch gedacht wird. In diesem Zusammenhang verwenden wir auch fallweise das generische Maskulinum, um die sprachliche Reproduktion hegemonialer Männlichkeit innerhalb der oben genannten binäre Sichtweise aufzuzeigen.

/Frau*/bzw. /Mann*/schreiben wir hingegen, um Geschlecht sprachlich weiter fassen zu können: es sollen damit alle Menschen berücksichtigt werden, die sich dem jeweiligen Geschlechterkonstrukt zugehörig fühlen – unabhängig davon, welches ihnen aufgrund der gesellschaftlichen Normativität zugeschrieben wird. Wenn wir uns auf keine spezifischen Geschlechtskonstrukte beziehen, sondern alle Gender meinen, verwenden wir das Gender-Sternchen.

Am 19. März ruft die Plattform für eine menschliche Asylpolitik zu einer Demonstration unter dem Motto „Flüchtlinge Willkommen! Nein zur Festung Europa!“ auf.

Die widerlichen Zustände mit denen sich Geflüchtete in Europa konfrontiert sehen – wenn sie nicht schon an den militarisierten Außengrenzen in den Tod getrieben wurden – zeigen auf, dass auf Nationalstaaten und supranationale Gebilde wie die EU und deren „Lösungen“ nicht zu vertrauen ist. Der Diskurs um Flucht und Migration verschiebt sich immer weiter nach rechts. Rassismus stellt allerdings kein alleiniges Problem des rechten Randes dar, sondern ist tief in der bürgerlichen Gesellschaft verwurzelt. Die menschenverachtenden Forderungen der FPÖ, welche auf weitere Verschlechterungen der Situation von Geflüchteten abzielen, werden nun offen diskutiert und von den Regierungsparteien umgesetzt. Täglich finden in ganz Europa rechtsextreme Veranstaltungen und Aufmärsche, sowie Angriffe auf Geflüchtete beziehungsweise deren Unterkünfte statt. Wir werden uns diesen Entwicklungen entgegenstellen.

Offene Grenzen und ein Ende der restriktiven Asylpolitik zu fordern ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dieser Kampf muss aber eine Absage an die Trostlosigkeit des kapitalistischen Alltags, die Unterteilung der Welt in Nationen und den damit verbundenen Ausschluss, sowie die rassistische und sexistische Spaltung der Gesellschaft bedeuten. Wir kämpfen für den Fall der Festung Europa, Selbstbestimmung, Bewegungsfreiheit und ein gutes Leben für alle!

Samstag | 19. März 2016 | 12.30 Uhr
Treffpunkt: Marcus Omofuma Denkmal/MuseumsQuartier